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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Waffenstillstandspakte durch die Verheiratung spätgeborener, nicht erbberechtigter Töchter bekräftigt. Wie viele Kundschafter hatten sie einander auf den Hals geschickt! Wie viele Geiseln mit Geldzahlungen ausgelöst!
    Xerius schnellte nach vorn und musterte seinen Neffen. Er dachte an das geisterhafte Antlitz des Skauras, wie es auf dem Gesicht des Gesandten der Cishaurim aufgetaucht war. »Wer hat dir davon erzählt?«, fragte er mit jäher Dringlichkeit. Als junger Mann war Conphas vier Jahre Geisel der Kianene gewesen. Und das am Hof des Skauras!
    Conphas blickte auf die Blumenmosaike vor seinen in Sandalen steckenden Füßen. »Skauras persönlich«, sagte er schließlich und sah Xerius offen an. Er wirkte beinahe verspielt, zugleich aber völlig selbstbezogen. »Ich habe den Kontakt zu seinem Hof nie abgebrochen, doch das haben dir deine Kundschafter sicher berichtet.«
    Und Xerius hatte sich Sorgen über die Verbindungen seiner Mutter gemacht!
    »Bei solchen Sachen musst du vorsichtig sein, Conphas«, sagte Istriya mütterlich. »Skauras ist einer von den alten Kianene. Ein Mann der Wüste. Rücksichtslos und gerissen. Wenn er könnte, würde er dich benutzen, um Zwietracht zwischen uns zu säen. Denk immer daran: Was zählt, ist unsere Dynastie – das Haus Ikurei.«
    Wie er diese Worte hasste! Xerius schoss ein Zittern in die Hände. Er faltete sie, versuchte, sich zu sammeln, und richtete den Blick in die Ferne, um ihre anzüglichen Mienen nicht zu sehen. Wie lange das her war! Damals, als Istriya an einem schwarzen Fläschchen (nicht größer als ein Kinderfinger) genestelt und seinem Vater Gift ins Ohr geträufelt hatte. Seinem Vater! Und dazu die Stimme seiner Mutter, nein, dieser Istriya: Die Dynastie, Xerius! Die Dynastie! Wie oft hatte er diese Worte seither in Gedanken widerhallen hören!
    Ihr Mann, so hatte sie einst entschieden, hatte weder Grips noch Schneid genug, die Dynastie am Leben zu erhalten.
    Was passierte hier eigentlich? Was taten die beiden gerade? Heckten sie eine Verschwörung gegen ihn aus?
    Er sah die alte, ehebrecherische Schlampe kurz an und wünschte, er würde sie töten lassen wollen. Doch so lange er sich erinnern konnte, war sie das Totem gewesen, der vergötterte Fetisch, der die absurde Maschinerie der Macht am Laufen hielt. Nur die alte, unersättliche Kaiserin war wirklich unentbehrlich. Er dachte an jene Nächte seiner Jugend, in denen sie ihn aufgeweckt, zwischen den Beinen gestreichelt, mit zudringlichen Zärtlichkeiten gequält und ihm ins nass geleckte Ohr gegurrt hatte: »Kaiser Xerius… Spürst du deine Berufung, mein geliebter, gottgleicher Sohn?« Damals war sie wunderschön gewesen.
    Ihre virtuosen Finger hatten ihm den ersten Orgasmus beschert; sie hatte seinen Samen aufgefangen und ihn gebeten, davon zu kosten. »Die Zukunft«, hatte sie gesagt, »schmeckt salzig… Und sie prickelt, Xerius, mein liebes Kind… « Dazu hatte sie ihr warmes Lachen aufgeschlagen, das sogar Marmorstatuen beseelen konnte.
    »Siehst du?«, fragte Istriya gerade. »Siehst du, wie sehr ihn das beunruhigt? Genau darauf spekuliert Skauras.«
    Conphas hatte ihn aufmerksam beobachtet. »Ich bin kein Dummkopf, Großmutter, und lass mich von keinem Heiden zum Narren halten. Erst recht nicht von Skauras. Dennoch muss ich mich wirklich entschuldigen, Onkel. Ich hätte Euch früher davon erzählen sollen.«
    Xerius sah die beiden ausdruckslos an. Die Sonne stand so grell am Himmel, dass die gestickten Muster auf dem roten Baldachin sich nach innen gewölbt hatten und nun umrisshaft Tiere zu sehen waren, die – zu Kreisen verflochten – die Schwarze Sonne von Nansur umgaben. Überall, wo der Baldachin seinen blutroten Schatten auf Möbel, Boden und Glieder warf, war die Sonne des Reichs von Tieren umzingelt, die – wie es Xerius schien – Blutschande trieben.
    Tausend Sonnen, dachte er und spürte, dass er ruhiger wurde. Überall in den alten Provinzen sollen tausend Sonnen wehen! Wir erobern die alten Festungen zurück. Wir stellen die Herrlichkeit des Reichs wieder her!
    »Reiß dich zusammen, mein Junge!«, sagte Istriya gerade. »Ich weiß, dass du nicht so dumm bist, vorzuschlagen, Calmemunis und die anderen sollten gegen die Kianene marschieren. Und du glaubst sicher auch nicht, alle bis jetzt versammelten Männer des Stoßzahns zu opfern sei die ›Geste‹, von der mein Enkel gesprochen hat. Das wäre Wahnsinn, und der Kaiser von Nansur ist nicht wahnsinnig. Oder etwa doch,

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