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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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sahen unzählige, hoch mit Habseligkeiten beladene Karren; Frauen und Kinder, die trüben Blicks durch den Staub schritten; zwischen den Abziehenden herumwuselnde Hunde; und Abertausende verarmter Männer aus der Unterschicht, die ein grimmiges Gesicht machten, aber nur mit Hämmern, Spitzhacken oder Spaten bewaffnet waren. Der Kaiser selbst beobachtete das Schauspiel von den emaillierten Zinnen des Südtors herab. Gerüchte berichteten, jemand habe ihn sagen hören, beim Anblick all dieser Einsiedler, Bettler und Huren würde er sich am liebsten übergeben, beherrsche sich aber, denn er habe »diesen widerlichen Abschaum jetzt lange genug durchgefüttert«.
    Obwohl die Menge nicht mehr als zehn Meilen pro Tag schaffte, waren die drei Hohen Herren mit dem Tempo des Vorrückens recht zufrieden. Schon durch die gewaltige Zahl der Teilnehmer sorgte der Gemeine Heilige Krieg entlang der Küste für Chaos. Überall auf dem Land beobachteten Sklaven, dass Fremde durch die Felder zogen – zunächst nur in harmlosen Kleingruppen, bald aber in hellen Scharen. Ganze Ernten wurden niedergetrampelt, Obstgärten und Weinberge geplündert. Hatten sie die Lebensmittel des Kaisers aber erst mal im Bauch, waren die Männer des Stoßzahns sehr diszipliniert. Vergewaltigung, Mord und Raub kamen so selten vor, dass die drei Hohen Herren sich noch den Luxus leisteten, diese Verbrechen gerichtlich untersuchen zu lassen und – wichtiger noch – weiterhin so tun konnten, als führten sie ein Heer.
    Als sie aber in die Grenzprovinz Anserca kamen, hatten die Pilger sich längst zu Banditen gemausert. Religiöse Fanatiker streiften in Trupps durchs Land und beschränkten sich meist darauf, die Ernte zu requirieren und das Vieh abzuschlachten, hatten manchmal aber auch Freude an Raub und Gemetzel. Die für ihren Wollmarkt berühmte Kleinstadt Nabathra wurde geplündert. Als kaiserliche Einheiten, die unter Führung von General Martemus den Gemeinen Heiligen Krieg beschatteten, die Männer des Stoßzahns davon abzuhalten versuchten, kam es zu einer Reihe offener Gefechte. Zunächst schien es, der General bekäme die Lage – obwohl mit nur zwei Kolonnen unterwegs – unter Kontrolle, doch die drückende Überlegenheit und Brutalität von Tharschilkas Männern zwang ihn, nach Norden zurückzuweichen und schließlich in den Mauern von Gielgath Schutz zu suchen.
    Calmemunis gab eine Erklärung heraus, in der Kaiser Xerius III. vorgeworfen wurde, er habe – entgegen seinen zuvor geleisteten Schwüren – Edikte erlassen, in denen den Männern des Stoßzahns Lebensmittel verweigert würden. Tatsächlich aber stammten diese Edikte von Maithanet, der gehofft hatte, so den Massenmarsch nach Süden aufzuhalten und Zeit zu gewinnen, seine Anhänger zu überzeugen, nach Momemn zurückzukehren.
    Nun, da das Vorrücken des Zugs durch die Notwendigkeit, sich mit Vorräten einzudecken, verlangsamt war, erließ Maithanet weitere Edikte: Eines widerrief die Generalamnestie des Tempelvorstehers für all die, die sich am Heiligen Krieg beteiligten; ein anderes stellte Calmemunis, Tharschilka und Kumrezzer unter Kuratel; ein drittes drohte allen, die den Befehlen dieser drei dennoch weiter folgten, dieselbe Strafe an. Diese Nachrichten und der weitverbreitete Abscheu über das Blutvergießen der Vortage brachte den Gemeinen Heiligen Krieg zum Halten.
    Eine Zeitlang wankte sogar die Entschlossenheit Tharschilkas, und es schien, als würde zumindest der harte Kern der Heiligen Krieger umdrehen und zurück nach Momemn ziehen. Doch da bekam Calmemunis Nachricht, ein kaiserlicher Tross, der anscheinend zur Grenzfestung Asgilioch unterwegs gewesen war, sei auf wundersame Weise in die Hand seiner Leute gefallen. Gleich war er überzeugt, das könne nur ein Zeichen Gottes gewesen sein. Daraufhin rief er alle regulären Befehlshaber und aus dem Stegreif bestimmten Anführer des Gemeinen Heiligen Kriegs herbei und schweißte sie mit einer flammenden Rede zusammen. Er forderte sie auf, für einen Moment in sich zu gehen und sich zu fragen, ob ihre Anstrengung einem rechtschaffenen Zweck gelte. Er erinnerte sie daran, auch der Tempelvorsteher sei nur ein Mensch und treffe darum – wie jeder andere – von Zeit zu Zeit falsche Entscheidungen. »Unserem gepriesenen Tempelvorsteher mangelt es gegenwärtig etwas an Begeisterung«; rief er. »Er hat die heilige Pflicht dessen, was wir hier tun, ein wenig aus dem Blick verloren. Doch glaubt mir, Brüder – wenn wir die Tore

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