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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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»Ich bin an vielen Orten gewesen, Proyas.«
    Wegen der Rathgeber. Wer nicht weiß, wo er suchen soll, muss überall suchen.
    »Entschuldige, Akka. Es ist nur so, dass…«, begann Proyas, verlor sich aber in zunehmender Verblüffung.
    Achamian wusste, dass der Prinz in seiner Vorstellung Shimeh in den Gipfel eines heiligen Bergs verwandelt hatte, der nicht zu erreichen war, ohne dass erst Hunderttausende besiegt werden mussten. Die Vorstellung, ein Gotteslästerer könnte einfach so von Bord eines Schiffes gegangen sein…
    »Damals«, fuhr Achamian fort, »war wegen der Scylvendi großer Tumult. Die Cishaurim hatten zwanzig ihrer Leute nach Shigek gesandt, die sich einer Strafexpedition anschließen sollten, die der Padirajah in die Steppe schickte. Weder vom Hauptheer noch von diesen Cishaurim hat man je wieder gehört.«
    »Weil die Scylvendi sie abgeschlachtet haben?«
    Achamian nickte. »Deshalb ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Euer Scylvendi siegreich gegen die Fanim gekämpft hat. Möglicherweise kann er sogar manche Einsicht vermitteln. Aber warum ausgerechnet uns? Warum sollte er sein Wissen mit Inrithi teilen? Das ist doch die Frage.«
    »Hassen die Scylvendi uns denn so sehr?«
    Achamian stand kurz ein Bild aus seinen Träumen vor Augen: Er sah die Lanzenreiter der Scylvendi – eine enorme Kriegerflut – ins Gewitter von Seswathas Stimme galoppieren.
    Er blinzelte. »Hasst ein Priester den Stier, dem er die Kehle durchschneidet? Denkt daran: Für die Scylvendi ist die ganze Welt ein Altar, und wir sind bloß die Opfer ihres Rituals. Sie denken so gering von uns, dass sie uns nicht einmal der Verachtung für wert halten – und gerade das macht die Situation so ungewöhnlich. Ein Scylvendi, der sich dem Heiligen Krieg anschließt? Das hört sich an, als würde er… als würde er…«
    »… zu den Opfertieren in die Koppel steigen und mit ihnen ein Geschäft abschließen«, beendete Proyas den Satz bestürzt.
    »Genau.«
    Der Kronprinz schürzte die Lippen und blickte übers Lager, wohl um nach einem Rest seiner zunichte gemachten Hoffnungen zu suchen. Noch nie hatte Achamian ihn so gesehen – selbst als Kind nicht. Er wirkte sehr… angeschlagen.
    Stehen die Dinge tatsächlich so schlimm? Was fürchtest du zu verlieren?
    »Aber natürlich«, ergänzte Achamian beschwichtigend, »könnte der Sieg von Conphas am Kiyuth in der Steppe manches geändert haben. Vielleicht sogar grundlegend.« Warum bemühte er sich nur immer darum, seinen ehemaligen Schüler aufzubauen?
    Proyas sah ihn kurz aus dem Augenwinkel an und verzog die Lippen zu einem süffisanten Lächeln. Dann blickte er wieder auf das Durcheinander kleiner und großer Zelte, das sich bis zum Horizont erstreckte, sagte: »Ganz so miserabel geht’s mir noch nicht, alter Leh…«, hielt inne und blinzelte. »Da!«, rief er und wies auf einen Ort, wo Achamian nichts Besonderes entdecken konnte. »Da kommt Xin! Jetzt werden wir sehen, ob der Scylvendi mein Kut’ma ist.«
    Innerhalb eines Wimpernschlags war aus seiner Verzweiflung Begeisterung geworden. Das wird ein gefährlicher König, dachte Achamian unwillkürlich. Falls er den Heiligen Krieg überlebt.
    Der Hexenmeister schluckte und spürte feinen Staub auf den Zähnen. Gewohnheit führt – besonders in Verbindung mit Angst – leicht dazu, die Zukunft zu ignorieren. Achamian aber konnte das nicht. Bei so vielen Kriegern auf einem Haufen musste sich einfach eine Katastrophe ergeben. Das war so zwangsläufig wie jedes von Ajencis formulierte Gesetz der Logik. Und je klarer er sich das vor Augen führte, desto besser war er vorbereitet, wenn es so weit war.
    Ein Großteil der vielen tausend Krieger ringsum wird demnächst tot auf irgendeinem Schlachtfeld liegen.
    Und dazu die nagende, furchtbar beklemmende Frage: Wer wird sterben? Viele würde es sicher erwischen.
    Mich auch?
    Endlich konnte er Xinemus und seine Reiter im Durcheinander des Lagers entdecken. Der Marschall wirkte abgespannt, wie nicht anders zu erwarten war, nachdem sein Prinz ihn mitten in der Nacht losgeschickt hatte. Sein Gesicht mit dem rechteckig geschorenen Bart sah zu ihnen hinauf. Achamian war sicher, dass Xin ihn und nicht Proyas musterte.
    Und du, alter Freund? Wirst du fallen?
    »Siehst du ihn?«, fragte Proyas.
    Erst dachte Achamian, diese Frage hätte Xinemus gegolten, doch dann sah er den Scylvendi auf Iryssas einreden, der mit wilder Mähne neben ihm ritt. Dieser Anblick ließ ihm das Blut gefrieren.
    Proyas

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