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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Ihr?«
    »Ihr seid hier derjenige, der über Geheimwissen verfügt, doch niemand glaubt Euch, während ich nichts besitze, aber jeder besteht darauf, ich hätte geheime Informationen.«
    Achamian konnte nur denken: Aber glaubst du wirklich, dass ich dieses Wissen besitze?
    »Wie meint Ihr das?«, fragte er.
    Kellhus sah ihn nachdenklich an. »Heute Nachmittag ist ein Mann vor mir auf die Knie gefallen und hat den Saum meines Gewands geküsst.« Er lachte, als wäre er noch immer über die traurige Absurdität dieser Szene erstaunt.
    »Das passt doch dazu, dass Ihr im Traum Anweisungen erhaltet«, sagte Achamian nüchtern. »Also glaubt er eigentlich ganz zu Recht, Ihr würdet im Auftrag Gottes handeln.«
    »Ich habe im Traum nur eine einzige Anweisung bekommen – die nämlich, mich in Momemn dem Heiligen Krieg anzuschließen.«
    Achamian bezweifelte das und war einen Moment lang ängstlich. Wer ist dieser Mann?
    Sie saßen eine Zeit lang schweigend da. Ferne Schreie drangen zu ihnen herüber – irgendwo im Lager mussten sich Betrunkene in die Haare geraten sein.
    »Du Hund!«, grölte einer. »Du mieser Hund!«
    »Ich glaube Euch – wirklich«, sagte Kellhus schließlich.
    Achamian bekam Herzklopfen, antwortete aber nicht.
    »Ich glaube an die Mission Eures Ordens.«
    Nun war es an Achamian, die Achseln zu zucken. »Dann seid ihr schon zu zweit.«
    Kellhus lachte leise. »Und wer ist, wenn ich fragen darf, mein leichtgläubiger Kamerad?«
    »Eine Frau namens Esmenet – eine Hure, die ich von Zeit zu Zeit aufgesucht habe.« Achamian konnte nicht umhin, Serwë bei diesen Worten einen raschen Seitenblick zuzuwerfen. Nicht so schön wie diese Frau, aber doch sehr schön.
    Kellhus hatte ihn genau beobachtet. »Sie ist sehr schön, nehme ich an.«
    »Sie ist eine Hure«, gab Achamian zurück und war einmal mehr irritiert darüber, dass der Fremde aussprach, woran er gerade gedacht hatte.
    Für die Stille, die nun folgte, machte Achamian seine bissige Bemerkung verantwortlich. Er bereute seine Worte, konnte sie aber nicht ungeschehen machen und sah Kellhus entschuldigend an.
    Doch die Sache war schon vergeben und vergessen. Das Schweigen zwischen Männern ist oft unangenehm bedeutungsschwanger, denn es scheint alle möglichen Vorwürfe zu enthalten oder ist darauf zurückzuführen, dass die Gesprächspartner einzuschätzen versuchen, wer von ihnen der Stärkere, wer der Schwächere ist. Doch mit Kellhus zu schweigen führte eher zu einem Mehr an Offenheit als dazu, sich in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Das Schweigen von Anasurimbor Kellhus schien zu sagen: Schauen wir gemeinsam nach vorn. Unsere Unstimmigkeiten können wir immer noch bei besserer Gelegenheit erörtern.
    »Es gibt da etwas«, sagte Kellhus schließlich, »das ich gern von Euch wüsste, Achamian, doch ich fürchte, unsere Bekanntschaft ist noch zu flüchtig.«
    Wie ehrlich er ist! Wenn ich mich darauf nur einlassen könnte!
    »Fragen kostet nichts.«
    Kellhus lächelte und nickte. »Ihr seid Lehrer, und ich bin ein unwissender Fremder in einem verwirrenden Land… Wärt Ihr bereit, mich zu unterrichten?«
    Kaum hatte Achamian diese Worte gehört, sprangen ihn hundert Fragen an. Dennoch sagte er spontan: »Ich würde mich glücklich schätzen, einen Anasûrimbor zu meinen Schülern zu zählen.«
    Kellhus lächelte. »Also abgemacht. Ich betrachte Euch, Drusas Achamian, als meinen ersten Freund inmitten dieser Herrlichkeit.«
    Diese Worte bewirkten beim Hexenmeister eine seltsame Scheu, und er war froh, dass Kellhus Serwë nun aufweckte, um sich mit ihr ins Zelt zurückzuziehen.
    Auf dem Heimweg durch die dunklen Zeltgassen empfand Achamian eine merkwürdige Euphorie. Auch wenn sich solche Dinge nicht messen lassen: Er fühlte sich durch die Begegnung mit Kellhus unaufdringlich verwandelt und hatte den Eindruck, einem für ihn dringend notwendigen Beispiel für etwas zutiefst Menschliches begegnet zu sein. Einem Beispiel dafür, wie ein richtiges Leben auszusehen hätte.
    Später lag er in seinem bescheidenen Zelt und fürchtete sich vor dem Einschlafen. Die Aussicht, wieder Alpträume zu erleiden, schien ihm unerträglich. Einsichten wurden, wie er wusste, von Traumata genauso oft erstickt wie geweckt.
    Als er schließlich einschlief, träumte er einmal mehr von der Katastrophe auf den Feldern von Eleneöt und davon, wie Anasûrimbor Celmomas II. unter dem Ansturm der Sranc zu Tode gekommen war. Als er aufwachte und sich keuchend bemühte, Distanz zu

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