Schattenfall
beenden.
Rache – dieses Geschenk hatte Maithanet ihnen angeboten. Die Möglichkeit, mit dem alten Feind in einem Heiligen Krieg abzurechnen.
Doch dieses Geschenk war gefährlich. Eleäzaras war auf den Gedanken gekommen, der Heilige Krieg sei jene Wirklichkeit, die die sechs Chorae nur symbolisierten. Wer einem Hexer solche Anhänger gab, machte ihm ein Geschenk, das er – wegen der tödlichen Wirkung, die die Chorae bei Berührung auf die Hexer hatten – gar nicht annehmen konnte, das ihn dadurch aber umso mehr an seine Vergänglichkeit und Machtlosigkeit erinnerte. Eleäzaras und die Scharlachspitzen hatten die von Maithanet angebotene Rache angenommen und sich dadurch dem Heiligen Krieg verschrieben. Indem er zugegriffen hatte – so erkannte Eleäzaras nun –, hatte er sich ergeben. Und deshalb waren die Scharlachspitzen nun erstmals in ihrer ruhmreichen Geschichte abhängig von den Launen anderer.
»Und was ist mit unseren Kundschaftern am Kaiserhof?«, fragte Eleäzaras. Furcht war ihm zuwider – darum vermied er nach Möglichkeit Gespräche über Maithanet. »Haben sie etwas Neues über den Plan des Kaisers herausgefunden?«
»Bis jetzt nicht«, gab Iyokus trocken zurück. »Es gibt allerdings das Gerücht, Ikurei Conphas habe kurz nach Vernichtung des Gemeinen Heiligen Kriegs von den Fanim eine Nachricht bekommen.«
»Und worum ging es in dieser Nachricht?«
»Um den Gemeinen Heiligen Krieg vermutlich.«
»Aber welchen Charakter hatte diese Nachricht? Den einer Art Bestätigung eines vereinbarten Geschäfts? Oder eher den einer Warnung an den Heiligen Krieg, keine weiteren Aktionen mehr zu unternehmen? Oder den eines verfrühten Friedensangebots? Worum ist es gegangen?«
»Vielleicht um das eine, vielleicht um das andere«, antwortete Iyokus, »und möglicherweise um alles zugleich. Das werden wir nie in Erfahrung bringen.«
»Und warum wurde die Nachricht an Ikurei Conphas geschickt?«
»Dafür kann es viele Gründe geben… Er war – erinnert Euch – eine Zeit lang Geisel des Sapatishah.«
»Dieser Conphas ist ein Knabe, über den wir uns wirklich Gedanken machen müssen.« Ikurei Conphas war intelligent, sogar ausgesprochen intelligent, was zwangsläufig bedeutete, dass er auch skrupellos war. Noch ein beängstigender Gedanke: Er wird unser Oberbefehlshaber sein.
Iyokus hielt seinen silbernen Kelch in langen schmalen Fingern und betrachtete gedankenverloren den goldmünzengroßen Rest Wein auf seinem Grund. Schließlich fragte er: »Darf ich offen sprechen, Hochmeister?«
»Unbedingt!«
Normalerweise sammelte sich in der Miene von Iyokus so viel Gefühl wie Wasser in einem Leinensack, doch diesmal war ihm die Besorgnis deutlich anzusehen. »All das hat die Scharlachspitzen erniedrigt…«, begann er unbehaglich. »Inzwischen sind wir Untergebene, obwohl es unsere Bestimmung ist, anderen zu gebieten. Zieht Euch aus diesem Heiligen Krieg zurück, Eli. Die Ungewissheit ist einfach zu groß. Diese Rechnung enthält zu viele Unbekannte. Wir spielen eine Art Roulette mit unserem Leben.«
Du auch, Iyokus?
Eleäzaras spürte Zorneswogen durch sein Herz branden. Vor zehn Jahren hatten ihm die Cishaurim eine Schlange in die Brust gesetzt, die von seiner Angst inzwischen fett geworden war. Er spürte, wie sie sich in ihm krümmte und wand und in seinen Händen das Bedürfnis weckte, Iyokus die beunruhigenden Augen auszukratzen.
Doch er sagte nur: »Hab Geduld. Um etwas in Erfahrung zu bringen, muss man Geduld haben.«
»Gestern, Hochmeister, wärt Ihr beinahe von den Leuten getötet worden, mit denen wir demnächst in die Schlacht ziehen sollen… Was könnte die Absurdität unserer Lage eindringlicher zeigen?«
Er bezog sich auf den Aufruhr. Was war er auch für ein Narr gewesen, Drusas Achamian an einem solchen Ort in die Enge treiben zu wollen! Der Hochmeister hätte beinahe Hunderte von Pilgern getötet und die Scharlachspitzen dadurch in die offene Auseinandersetzung mit den Männern des Stoßzahns getrieben. Fast wäre alles zu Ende gewesen – doch zum Glück hatte der Mandati kühlen Kopf bewahrt. »Tut das nicht, Eleäzaras!«, hatte er gerufen, als der Mob auf sie losgestürmt war und der Hochmeister schon von Magie hatte Gebrauch machen wollen. »Denkt an Euren Krieg gegen die Cishaurim!«
Doch in der Stimme des verlottert wirkenden Mannes hatte auch eine Drohung gelegen: Das lass ich nicht zu. Ich halte dich auf, und du weißt, dass ich es kann…
Welch traurige Ironie! Es war
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