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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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eine Bedrohung – und nicht die Vernunft – gewesen, die seiner Hand Einhalt geboten hatte: die Gefahr der Gnosis! Seine Pläne waren gerade dadurch gerettet worden, dass ihm fehlte, worauf sein Orden seit Generationen erpicht war.
    Wie sehr er die Mandati verachtete! Alle Orden, selbst die Kaiserlichen Ordensleute, erkannten die Vormachtstellung der Scharlachspitzen an – nur die Mandati nicht. Und warum sollten sie das auch, wenn jeder ihrer hergelaufenen Kundschafter den Hochmeister der Scharlachspitzen einschüchtern konnte?
    »Dieser Vorfall«, gab Eleäzaras zurück, »zeigt nur, was wir schon immer gewusst haben, Iyokus. Unsere Stellung im Heiligen Krieg ist bestimmt prekär, doch alle großen Pläne erfordern große Opfer. Wenn Shimeh erst ein rauchender Trümmerhaufen ist und die Cishaurim ausgelöscht sind, sind die Mandati der einzige Orden, der uns noch demütigen kann.« Ein geheimes Reich – das wäre der Lohn seiner verzweifelten Arbeit.
    »Das erinnert mich daran«, sagte Iyokus, »dass ich vom Leiter unseres Zentralarchivs in Carythusal ein Schreiben bekommen habe. Eurem Wunsch entsprechend hat er alle Berichte über Leichenfunde durchforsten lassen. Und es hat tatsächlich einen ähnlichen Fall gegeben – vor Jahren schon.«
    Noch eine Leiche ohne Gesicht.
    »Ist bekannt, um wen es sich gehandelt hat? Und wie er zu Tode kam?«
    »Er wurde im Delta gefunden und war schon ziemlich verwest. Ein Unbekannter. Und weil seither fünf Jahre vergangen sind, besteht kaum Hoffnung, seine Identität zu ermitteln.«
    Die Mandati. Wer hätte ihnen derart dunkle Machenschaften zugetraut? Aber welche denn eigentlich? Noch eine unbekannte Größe.
    »Vielleicht«, fuhr Iyokas fort, »haben die Mandati sich endlich von dem ganzen Quatsch mit den Rathgebern und dem Nicht-Gott verabschiedet.«
    Eleäzaras nickte. »Das sehe ich auch so. Die Mandati spielen nun wie wir, Iyokas. Daran hat dieser Drusas Achamian kaum einen Zweifel gelassen…« Was für ein talentierter Lügner! Eleäzaras hätte beinahe geglaubt, er habe nichts von Geshrunnis Tod gewusst.
    »Wenn die Mandati im Spiel sind«, sagte Iyokus, »ändert das alles. Ist Euch das klar? Wir können uns nicht länger als wichtigster Orden im Gebiet der Drei Meere betrachten.«
    »Erst mal vernichten wir die Cishaurim, Iyokus. Sorg dafür, dass Drusas Achamian bis dahin genau beobachtet wird.«

17. Kapitel
     
    DIE ANDIAMIN-HÖHEN
     
     
     
    Das Ereignis selbst war unerhört: Seit Cenei unter dem wilden Ansturm der Scylvendi gefallen war, hatten sich nicht mehr so viele Herrscher an einem Ort versammelt. Doch nur wenige wussten, dass das Schicksal der ganzen Menschheit in der Schwebe hing Und wer hätte gedacht, dass nicht etwa ein Erlass des Tempelvorstehers, sondern ein kurzer Blickwechsel das prekäre Gleichgewicht kippen lassen würde?
    Aber ist dies nicht ohnehin das eigentliche Rätsel der Geschichte? Wenn man den Dingen wirklich auf den Grund geht, stellt man immer wieder fest, dass totale Niederlage und unumschränkter Triumph – die angestammten Gegenstände der historischen Forschung also – unausweichlich von kleinen, banalen, alptraumhaft zufälligen Ereignissen abhängen. Wenn ich zu lange über diese Tatsache nachdenke, fürchte ich nicht mehr, wir seien – wie Protathis schreibt – »Betrunkene beim heiligen Tanz«. Vielmehr fürchte ich dann, dass es überhaupt keinen Tanz gibt.
     
    Drusas Achamian: Handbuch des Ersten Heiligen Kriegs

MOMEMN, FRÜHSOMMER 4111
     
    Kellhus ging hinter Nersei Proyas mit Cnaiür, Xinemus und den fünf Statthaltern aus Conriya, die dem Ruf des Stoßzahns gefolgt waren, durch die langen Palastflure der Andiamin-Höhen. Ein Eunuch des Kaisers führte sie und verbreitete einen öligen Geruch aus Moschus und Balsam.
    Kaum hatte Proyas sein Gespräch mit Xinemus beendet, rief er Cnaiür an seine Seite. Kellhus hatte die plötzlichen Stimmungsschwankungen des Kronprinzen auf dem Weg durch den Kaiserlichen Bezirk genau registriert. Proyas war abwechselnd begeistert und ängstlich gewesen. Jetzt war er spürbar aufgeregt, und man sah ihm genau an, was er dachte: Es wird klappen!
    »Obwohl es uns Übrige ärgert«, sagte der Kronprinz zu Cnaiür und bemühte sich dabei, lässig zu klingen, »sind die Nansur in vieler Hinsicht das älteste Volk des Gebiets der Drei Meere. Sie sind Nachkommen der Einwohner des alten Cenei, zählen darüber hinaus aber sogar die Menschen, die in grauer Vorzeit die Ebene von Kyranae

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