Schattenfall
zwölf Armbrustschützen. Alle – bis auf mich natürlich – haben ein Chorum dabei.«
Xerius zuckte zusammen. »Hier im Hof sind nur drei Männer? Nur du und zwei deiner Leute?«
»Es ging nicht anders, gottgleicher Kaiser.«
»Unsinn.« Xerius dachte an das Chorum in seiner Rechten. Er hätte den wichtigtuerischen Magier damit zu Asche verwandeln können, doch dann wären nur noch zwei Begleiter übrig gewesen. Er verachtete Hexenmeister fast so sehr wie die Tatsache, auf sie angewiesen zu sein.
»Sie kommen«, flüsterte Skeaös. Xerius ballte die Faust so fest, dass es sich anfühlte, als grüben sich ihm die aus der Oberfläche des Amuletts getriebenen Worte wie ein Brandzeichen in die Hand.
Zwei Soldaten von der Kaiserlichen Garde, die ausnahmsweise unbewaffnet waren, dafür aber Lampen trugen, kamen in den Hof und bezogen rechts und links der Bronzetüren Position. Zwischen ihnen hindurch kamen Gaenkelti – noch immer in Paraderüstung – und jemand in Kapuze und schwarzleinener Robe geschritten. Der Hauptmann führte den Gesandten vereinbarungsgemäß dorthin, wo sich die Lichtkreise der vier Kohlenbecken überschnitten. Trotz der Beleuchtung konnte Xerius unter der Kapuze nur die linke Wange des Mannes und einen Teil seines Mundes erkennen.
Cishaurim. Die Nansur kannten nur einen hassenswerteren Namen: Scylvendi. Geschichten über die heidnischen Hexenpriester, ihre orgiastischen Rituale und unergründlichen Kräfte dienten den Bewohnern des Kaiserreichs dazu, ihre Kinder – selbst die des Kaisers – aus dem Kindheitsparadies zu vertreiben und so zu gewährleisten, dass allein die Erwähnung des Wortes Cishaurim auch kommende Generationen mit Schrecken erfüllte.
Xerius rang nach Atem. Warum haben sie einen Cishaurim geschickt? Um mich zu töten?
Der Gesandte schob die Kapuze zurück und zog sie weit auf die Schultern herab. Dann senkte er die Arme, bis seine Robe zu Boden fiel und eine lange, safrangelbe Soutane zum Vorschein kam. Er hatte eine erschreckend bleiche Glatze, und schwarze Höhlen prägten sein Antlitz. Augenlose Gesichter hatten Xerius immer aus der Ruhe gebracht, denn sie erinnerten ihn an den Totenkopf unter den Zügen jedes Menschen, doch das Wissen, dass sein Gegenüber nichtsdestotrotz zu sehen vermochte, ließ die Kehle des Kaisers plötzlich brennen, und dagegen half kein Schlucken. Wie die Lehrer seiner Kindheit behauptet hatten, spielte eine Schlange um den Hals des Cishaurim – eine schwarze Salznatter aus Shigek, die wie eingeölt glänzte und deren Kopf mit den Ersatzaugen sich in Höhe seines rechten Ohrs befand, in das sie züngelnd flüsterte. Die blinden Augenhöhlen blieben auf Xerius gerichtet, doch der Kopf der Natter bewegte sich nach oben und unten, links und rechts, musterte langsam den ganzen Hof und witterte methodisch in alle Richtungen.
»Siehst du es, Cememketri?«, flüsterte Xerius hektisch. »Siehst du das Hexenmal?«
»Nichts zu entdecken«, entgegnete der Hexenmeister. Seine Stimme war angespannt, denn er fürchtete, jemand könnte hören, was er sagte.
Die Augen der Schlange blieben einen Moment lang auf die dunklen Säulenhallen gerichtet, die den Hof umgaben, und schienen die Gefahr abzuwägen, die die schemenhaften Gestalten bedeuten mochten, die sich darin aufhielten. Dann wandte sich der Schlangenkopf wie ein Ruder auf gefetteter Dolle an Xerius.
»Ich bin Mallahet«, sagte der Cishaurim in tadellosem Scheyisch, »Adoptivsohn des Kisma vom Stamm Indara-Kishauri.«
»Du bist Mallahet?«, rief Cememketri. Das war schon wieder unschicklich, denn Xerius hätte ihm das Reden erst erlauben müssen.
»Und du bist Cememketri.« Das augenlose Gesicht neigte sich, doch der Schlangenkopf hielt sich aufrecht. »Meine Verehrung, alter Widersacher.«
Xerius spürte den Hochmeister neben sich geradezu erstarren und hörte ihn murmeln: »Ihr müsst sofort gehen. Wenn das wirklich Mallahet ist, seid Ihr in großer Gefahr. Wie wir alle!«
Mallahet… Den Namen hatte er schon mal gehört, in einer Besprechung mit Skeaös. Das war doch der, dessen Arme so vernarbt wie die eines Scylvendi waren…
»Dann sind drei wohl nicht genug«, gab Xerius beinahe süffisant zurück. Die Furcht seines Hochmeisters ermutigte ihn unerklärlich.
»Nur Seokti steht bei den Cishaurim höher als Mallahet – und auch das nur, weil ihr von den Propheten gestiftetes Gesetz denen, die keine Kianene sind, die Stellung eines Häresiarchen verwehrt. Selbst die Cishaurim
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