Schattenfall
fürchten seine Macht!«
»Es stimmt, was der Hochmeister sagt, gottgleicher Kaiser«, ergänzte Skeaös leise. »Ihr müsst sofort gehen. Lasst mich an Eurer Statt mit ihm verhandeln…«
Doch Xerius scherten ihre Einwände nicht. Wie konnten sie so hasenfüßig sein, obwohl die Götter selbst ihre schützende Hand über sein Vorgehen hielten? »Schön, Euch zu sehen, Mallahet«, sagte er und war über seine ruhige Stimme erstaunt.
Nach kurzem Zögern tönte Gaenkelti: »Vor Euch steht Ikurei Xerius III. Kaiser von Nansur – auf die Knie, Mallahet!«
Der Cishaurim wedelte mit dem Zeigefinger, und die Natter wippte synchron mit, als wollte sie seinen Gestus des Tadelns ironisieren. »Die Fanim knien nur vor dem Einzigen Gott.«
Reflexhaft oder in Verkennung der Lage hob Gaenkelti die Faust, um dem Mann einen Schlag zu verpassen, doch Xerius brachte ihn mit einer Handbewegung zum Einhalten.
»Setzen wir das höfische Protokoll in diesem einen Fall außer Kraft, Hauptmann«, sagte der Kaiser. »Die Heiden werden früh genug vor mir knien.« Aus dem dunklen Wunsch, die Faust mit dem Chorum vor den Augen der Schlange zu verbergen, umfasste er die geballte Rechte mit der Linken. »Ihr seid gekommen, um zu verhandeln?«, fragte er den Cishaurim.
»Nein.«
Cememketri murmelte einen Soldatenfluch in sich hinein.
»Warum seid Ihr dann gekommen?«, fragte Xerius.
»Ich bin gekommen, Kaiser, damit Ihr mit einem anderen verhandeln könnt.«
Xerius blinzelte. »Mit wem?«
Einen Moment lang schien es, als blitzte der Nagel des Himmels von der Braue des Cishaurim. Aus dem Dunkel der Säulenhallen ertönte ein Schrei, und Xerius hob abwehrend die Hände.
Cememketri rief etwas Unverständliches und verwirrte die Nansur noch mehr. Eine Kugel, die nur aus gespenstischen blauen Feuerfäden bestand, sprang über ihnen durch die Luft.
Doch sonst war nichts geschehen. Der Cishaurim stand so reglos da wie zuvor. Die Augen der Natter glühten im Licht des Feuers wie bernsteinfarbene Kohlenstücke.
Dann keuchte Skeaös: »Sein Gesicht!«
Mallahets Antlitz, das so sehr einem Totenschädel ähnelte, wirkte wie von einer durchsichtigen Maske überlagert. Sie zeigte das Gesicht eines grauhaarigen Kriegers der Kianene, dessen falkenartige Züge noch immer das Wüstenmal aufwiesen. Prüfende Augen spähten aus den leeren Höhlen des Cishaurim, und ein geisterhafter Ziegenbart, der nach Art der Kianene-Granden geflochten war, zierte sein Kinn.
»Skauras«, sagte Xerius. Er hatte ihn nie zuvor gesehen, war sich aber dennoch sicher, den Sapatishah-Gouverneur von Shigek vor sich zu haben, einen heidnischen Schurken, den die Südlichen Säulen seit mehr als vier Jahrzehnten bekriegten.
Die geisterhaften Lippen bewegten sich, doch Xerius hörte nur eine weit entfernte Stimme in jenem schleppenden Rhythmus reden, der typisch für die Sprache der Kianene ist. Dann öffneten sich die echten Lippen darunter und sagten: »Gut geraten, Ikurei. Euch kenne ich von Euren Münzen.«
»Und was wird das hier? Schickt mir der Padirajah etwa einen seiner Sapatishas, um mit mir zu verhandeln?«
Wieder diese beunruhigende Verzögerung zwischen den Lippenbewegungen der Maske und dem, was die Stimme Mallahets schließlich sagte. »Ihr seid es nicht wert, mit dem Padirajah zu sprechen, Ikurei. Schon ich allein könnte Euer Reich mit Leichtigkeit zerstören. Seid froh, dass der Padirajah ein frommer Mann ist und sich an seine Vereinbarungen hält.«
»Jetzt, da Maithanet Tempelvorsteher ist, stehen alle unsere Vereinbarungen zur Disposition, Skauras.«
»Noch ein Grund mehr für den Padirajah, Euch zu verschmähen! Auch Ihr steht schließlich zur Disposition.«
Skeaös beugte sich vor und flüsterte Xerius ins Ohr: »Fragt ihn, wozu er das ganze Theater hier aufführt, falls Ihr wirklich unwichtig geworden seid. Die Heiden haben Angst, gottgleicher Kaiser. Nur darum haben sie einen von ihnen in ein illusionistisches Prachtgewand gesteckt.«
Xerius lächelte, weil sein alter Berater ihm nur bestätigt hatte, was er längst wusste. »Wenn ich zur Disposition stehe – warum dann dieser ganze Budenzauber? Warum macht Ihr jemanden, der höher steht als Ihr, zu Eurem Gesandten?«
»Wegen des Heiligen Kriegs, den Ihr und Eure götzendienerische Sippschaft gegen uns führen wollt. Warum wohl sonst?«
»Und weil Ihr wisst, dass der Heilige Krieg mein Werkzeug ist.«
Das durchsichtige Antlitz grinste, und Xerius hörte ein fernes Lachen. »Ihr wollt
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