Schattenfall
Disposition.«
»Unmöglich!«, ereiferte sich Skeaös.
Verblüfft über die Dreistigkeit seines Beraters, fuhr Xerius herum und sah den Alten an.
»Was ist denn hier los, Ikurei? Dürfen Eure Hunde jetzt schon bei Tisch heulen?«
Xerius wusste, dass er hätte empört sein sollen, doch einen solchen Ausbruch von Skeaös… hatte er noch nie erlebt.
»Der lügt doch, gottgleicher Kaiser«, rief der Oberste Berater aufgebracht. »Das ist ein Heidentrick, um Zugeständnisse zu erschleichen…«
»Warum sollten die Heiden lügen?«, raunzte Cememketri, dem offenbar sehr daran gelegen war, seinen alten Widersacher bei Hof zu demütigen. »Schließlich wäre es ihnen doch viel lieber, wenn wir uns an die Spitze des Heiligen Kriegs stellten. Oder glaubst du, sie würden lieber mit Maithanet verhandeln?«
Hatten die beiden die Gegenwart ihres Kaisers vergessen? Sie redeten, als wäre er bloß eine Fiktion, die nun nicht mehr von Nutzen war. Halten die mich für nebensächlich?
»Nein«, gab Skeaös nun zurück. »Sie wissen, dass der Heilige Krieg unser ist, möchten uns aber glauben machen, dem sei nicht so!«
Kalte Wut stieg in Xerius auf. Heute Nacht würde es noch großes Geschrei geben.
Entweder wurde den beiden Männern bewusst, wie weit sie über die Stränge geschlagen hatten, oder sie spürten, dass sich die Laune ihres Kaisers rapide verdüsterte – jedenfalls brachen sie ihre Diskussion unvermittelt ab und schwiegen. Zwei Jahre zuvor hatte ein Zeumi den Hofstaat des Xerius mit dressierten Tigern unterhalten. Hinterher hatte der Kaiser ihn gefragt, wie er es schaffe, so wilde Tiere allein mit Blicken zu dirigieren. »Ganz einfach«, hatte der hünenhafte Schwarze geantwortet, »in meinen Augen sehen sie ihre Zukunft.«
»Bitte vergebt meinen streitlustigen Dienern«, sagte Xerius zu dem Geist, der das Gesicht des Cishaurim bewohnte. »Und seid versichert, dass ich es nicht tun werde.«
Skauras’ Antlitz flimmerte kurz und war dann wieder deutlich zu sehen, als sei es beim Nicken für einen Moment aus einem unsichtbaren Lichtstrahl geraten. Wie sehr mochte der alte Wolf jetzt innerlich lachen! Xerius sah es beinahe vor sich, wie er den Padirajah mit Schilderungen des Durcheinanders am Kaiserlichen Hof ergötzte.
»Das wird mir bestimmt sehr nahegehen«, meinte der Gouverneur von Shigek leichthin.
»Spart Euch die Klagelieder besser für Eure eigenen Leute. Egal, wer den Heiligen Krieg anführt – Ihr seid so oder so verloren.« Die Fanim waren verloren. Auch wenn Cememketri unerhört frech gewesen war: Was er gesagt hatte, war ja völlig richtig. Der Padirajah wollte, dass sich der Kaiser an die Spitze des Heiligen Kriegs stellte. Mit Fanatikern wie Maithanet nämlich ließ sich nicht verhandeln.
»Ah, welch starke Worte! Endlich spreche ich mit dem Kaiser von Nansur. Sagt mir also, Ikurei Xerius III. da Ihr nun verstanden habt, dass wir beide aus einer schwachen Position heraus verhandeln, sagt mir: Was schlagt Ihr vor?«
Xerius zögerte. Kalte Berechnung hatte von ihm Besitz ergriffen. Er war immer dann besonders clever, wenn er zornig und aufgewühlt war. Alternativen schossen ihm durch den Kopf, von denen die meisten schlicht an Maithanet und seiner dämonischen Gerissenheit scheiterten. Er dachte an Calmemunis und dessen Hass auf seinen Cousin Nersei Proyas, den Thronerben von Conriya…
Und dann begriff er.
»Für die Männer des Stoßzahns seid Ihr und Euer Volk kaum mehr als ein Opfer, wie man es seinem Gott nun mal bringt, Gouverneur. Sie reden und handeln, als stehe ihr Sieg bereits in ihren Heiligen Schriften. Vielleicht kommt einmal die Zeit, da sie euch so respektieren wie wir.«
»Shrai laksara kah.«
»So fürchten wie ihr, meint Ihr wohl.«
Jetzt hing alles von seinem Neffen im hohen Norden ab. Mehr als je zuvor. Die Vorzeichen…
»Wie gesagt – mir geht es um Respekt, nicht um Furcht.«
6. KAPITEL
DIE STEPPE JIÜNATI
Von der Mutter werden wir geboren und gesäugt, danach aber nährt uns das Land, geht durch uns hindurch und gibt und nimmt uns jedes Mal ein Quäntchen Staub, bis wir nicht mehr von der Mutter herstammen, sondern aus dem Land, von dem wir leben.
Sprichwort der Scylvendi
… und auf Alt-Scheyisch, der Sprache der Herrscher- und Priesterkasten des Kaiserreichs Nansur, bedeutet skilvenas »Katastrophe« oder »Apokalypse«, als habe das Volk der Scylvendi Raum und Zeit abgestreift und sei zu einem Abstraktum von verheerender
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