Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
weiß es jetzt.“
„Sprich schon und spanne uns nicht auf die Folter“, drängte Petz.
„Der Holzring selbst hätte es mir nicht gesagt, aber die Pfeilspitze und die Worte, die ich eben zufällig verwendet habe.“
„Zufällig?“, fragte Petz herausfordernd. „Seit ich dich kenne, habe ich diesen Begriff aus meinem Wortschatz gestrichen. Einerlei, fahr fort!“
„Es gibt eine Stelle, an der ich, als ich noch in Langen war, regelmäßig meine Schussübungen mit dem Bogen abgehalten habe. Es ist ein alter Baum. Er hat ein Astloch und das war immer meine Zielscheibe.“
„Na also, das klingt doch schon ganz passabel.“
„Und was sagt mir das, Petz?“
Petz zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Was verbindest du mit dem Baum? Außer einem Ort, denn den haben wir ja bereits durch die drei Eicheln und die Kette. Eine Person oder etwas anderes?“, fragte er.
Berthold überlegte laut: „Ja, eine Person sicherlich. Katharina. Wir haben eine geheime Verabredung, bei der dieser Baum eine Rolle spielt. Aber ich glaube, dass es nicht die Person ist, denn die haben wir ja mit meinem Vater ebenfalls bereits gedeutet. Ich denke, es handelt sich um einen Zeitpunkt.“
„Ein Baum und ein Zeitpunkt?“, wunderte sich Augustein.
„Ja. Katharina und ich haben kurz vor meinem Abschied verabredet, dass wir uns alljährlich an diesem Baum treffen werden, komme was wolle. Und zwar immer am Tag des Maigedings am ersten Freitag im Mai.“
Augustein rechnete still vor sich hin, dann sagte er: „Das wäre also in etwa zehn Tage vor den Eisheiligen. Demnach in elf Wochen. Das ist noch eine Weile hin.“
„Ja“, erwiderte Berthold gedankenvoll. „Petz, sag mir, ob diese Deutungen richtig sind. Wie erfahre ich, ob sie stimmen?“
„Wenn du an den Ort gehst, den du in deinem Traum gesehen hast. Wir müssen das nehmen, was wir angeboten bekommen, etwas Besseres haben wir nicht. Und wir können nicht mehr verlieren als unser Leben. Ich habe im Übrigen auch nicht vor, meinen Lebensabend in einem feuchten Keller in Gelnhausen zu verbringen“, lachte Petz und fügte hinzu: „Gut, dann haben wir jetzt also ein Ziel. Wir müssen am Tag des Maigedings in Dreieichenhayn sein und werden Bertholds Vater befreien, wenn er gefangen gehalten wird. Alles Weitere wird sich fügen. Wir werden etwa eine Woche für die Reise einplanen. Das ist großzügig bemessen, aber so sind wir auf der sicheren Seite. Was meinst du Berthold?“
„Ja. Und du meinst, wir sollten nicht früher gehen? Ich ertrage es nicht, hier tatenlos herumzusitzen.“
„Nein, auf keinen Fall werden wir früher gehen. Und was deine Tatenlosigkeit angeht, so würde ich es nicht beschreien. Wer weiß, was das Schicksal für uns in der Zwischenzeit noch bereithält? Du etwa? Und abgesehen davon solltest du nicht vergessen, dass dies hier der Versuch einer Deutung war. Niemand sagt uns, dass sie richtig ist!“
4. Entscheidungen
Gregor Fyrner und seine Familie halfen den drei Freunden bei den Vorbereitungen zu ihrer Abreise. Einerseits geschah dies mit Wehmut, denn schließlich waren die drei nicht nur für Gregor echte Freunde geworden. Besonders die Kinder hatten Petz ins Herz geschlossen, der nie um eine Geschichte verlegen gewesen war. Andererseits jedoch war Gregor auch ein wenig erleichtert, denn letztendlich ging er ein Risiko ein, drei vor der Inquisition Flüchtende bei sich zu verstecken, ob sie denn nun wirklich schuldig waren oder nicht.
Am zweiten Mai kurz vor Sonnenaufgang war es dann so weit: Alles war für den Aufbruch vorbereitet, die Sachen gepackt und der Proviant in den Taschen verstaut. Die Pferde waren ausgeruht und begierig darauf, sich wieder einmal länger zu bewegen, als immer nur auf der kleinen Wiese hinter Gregors Haus zu grasen und im Kreis herumzulaufen. Calamus begrüßte Berthold mit einem freudigen Wiehern, als ihm dieser Sattel und Zaumzeug anlegte. Gregors ältester Sohn hielt die drei Pferde so lange, bis ihre Besitzer aufgesessen waren und selbst die Zügel in die Hand nahmen.
Der Abschied von Gregor und seiner Familie war kurz und innig. Blicke genügten Petz, Berthold und Augustein, um ihre unendliche Dankbarkeit für diesen wahrhaft freundschaftlichen Dienst auszudrücken. Auch Gregor war froh, dass der Abschied so vor sich ging – er war kein Freund großer Worte und Gesten. Er stand mit seiner Frau Anna und den drei Kindern vor dem Haus, bis die Dunkelheit die zum Abschied winkenden Freunde verschluckt
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