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Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz

Titel: Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alf Leue
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links, bis er fast auf der Höhe der Stadt war. Sie lag noch gut und gerne eine Viertelmeile entfernt, aber Berthold konnte sie bereits förmlich schmecken. Er hielt sich jetzt geradeaus und noch ein paar hundert Schritte bis dahin, wo linker Hand am Hang der Wald dichter wurde. Er durchbrach mit Calamus einen Holunderstrauch und erreichte den schmalen, kaum sichtbaren Pfad, der ihn durch das laubdichte Dunkel zur Wiese geleitete. Dort band er Calamus an einen Baum und schritt – erhaben und sich der Erfüllung seines Schwurs bewusst – durch die Dämmerung, um nach etwa hundert Schritten am Stumpf der alten Eiche anzulangen.
    Berthold berührte die dicke, schuppige Rinde des Baumes. Dann tastete sich seine Hand zum Astloch vor und griff aufgeregt hinein. Nichts. Verzweifelt fuhr er in der Aushöhlung umher. Das konnte nicht sein! Katharina musste etwas hergebracht haben. Ein Zeichen, eine kleine Nachricht, wenigstens einen winzigen Fetzen Stoff ihres Hemdes als Beweis, dass sie lebte. Er hatte den wulstigen Ring des Astes doch in seinem Traum gesehen!
    Endlich berührten seine Fingerspitzen ein eng zusammengerolltes Stück Tierhaut, nur etwa so groß wie ein Gulden, das in einer tiefen Furche des Hohlraumes lag. Ein freudiger Schrecken durchfuhr Berthold, als er es herausholte und entrollte. Doch so sehr er sich auch mühte die Nachricht zu entziffern, gelang ihm dies in der Dämmerung nicht. Die Buchstaben und Linien verschwammen zu einem unleserlichen Gekritzel.
    Berthold rollte die Nachricht wieder zusammen, steckte sie in die Tasche seines Hemdes und eilte zu Calamus. Dann ritt er im Galopp zurück zum Hof, wo er an seinen erstaunten Freunden vorbei hinauf in sein altes Zimmer stürmte. Im Schein eines Talglichts las er Katharinas Nachricht:
     
    Liebster!
    Furchtbares ist geschehen. Man hat deine Eltern verschleppt. Deinen Vater hält Etzelroth im Kerker zu Burg Hayn gefangen und Deine Mutter und Deinen Bruder soll man in die Pfalz entführt haben. So sagen die Gerüchte, doch ich weiß nicht mehr als das zu berichten. Mein Vater und ich wurden von Etzelroth unter einem Vorwand und mit Bewachung nach Dieburg gesandt, nur um Dich in eine Falle zu locken. Doch wir konnten, dem Ideenreichtum und dem Mut meines Vaters sei Dank, unseren Begleiter abschütteln und sind nach Mainz geflohen – zum Onkel meines Vaters, Herrn Kuno von Werthersbach, der dort im Augustinerkloster Propst ist. Komme auch dorthin. Ich warte sehnsüchtig auf Dich. Wenn Du dort ankommst, dann frage nach uns beim Propst höchstselbst. Und sollte man Dich nicht vorlassen, so sage dem Bruder, der Dir den Zutritt verwehrt, er solle dem Propst die Worte „non scholae, sed vitae“ ausrichten, und er wird Dich empfangen.
    Ich hoffe, Dich bald wiederzusehen und wünsche Dir alles Glück des Himmels und der Erde. Sieh Dich vor!
    In ewiger Liebe
    K.
     
    Berthold starrte gebannt auf die Zeilen aus der Hand der Frau, die er so sehr liebte. Es war, als hauche ihm ein längst vergangenes Leben einen zärtlichen Kuss auf die Wange, als durchzöge ihn ein lange vergessenes Gefühl von Heimat, Zukunft und Glück. Lange, so lange hatte er dies nicht mehr gefühlt. Er seufzte und ging zu Petz und Augustein hinunter.
    „Lasst uns beginnen. Habt ihr das Holz besorgt? Gut, dann wollen wir es zuschneiden.“
     

     
    Die drei Soldaten des Vogtes, die man kurze Zeit später durch den Wald in Richtung Dreieichenhayn reiten sah, hätten sicherlich das Aufsehen eines jeden Betrachters erregt. Nicht nur die Tatsache, dass alle drei an Seilen einen etwa zehn Fuß langen Baumstamm hinter ihrem Pferd herschleiften, sondern auch die Gestalten selbst waren bemerkenswert: Einem riesigen Landsknecht, der sich in eine zu enge Rüstung gepresst hatte und sich sichtlich unwohl darin fühlte, folgte ein zartes Männlein, das in seiner viel zu weiten Rüstung fast zu verschwinden schien und dem der Helm ständig ins Gesicht rutschte. Lediglich dem Burschen, der ihnen voranritt und ein zusätzliches Pferd am Zügel führte, schien seine Rüstung zu passen. Alle drei trugen Armbrüste über der Schulter und jedem baumelte ein Schwert an der Seite.
    In ihrem insgesamt grotesk und lächerlich erscheinenden Aufzug schienen die Reiter geradewegs einem Gauklermarkt entsprungen und auf einer seltsamen Art Kriegszug zu sein. Doch hätte ein zufälliger Betrachter in die konzentrierten, entschlossenen Gesichter der drei Männer geblickt, hätte er sofort begriffen, dass es ihnen ernst

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