Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Allerdings hatte ihm Petz versprechen müssen, den Köpplers kein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Wann immer seine Zeit und das Wetter es erlaubten, ging Berthold an den Rand der Felder vor der Stadt, wo die Kiefern und Eichen am Waldsaum Wache standen, um seine Schießkünste mit dem Bogen zu verbessern. Petz begleitete ihn oft, saß jedoch nur still da und schaute ihm zu. Sie mussten nicht sprechen.
Eines Tages aber sabberte Petz: „Berthold, es ist an der Zeit, dass du auch andere Waffen kennenlernst außer deinem Bogen. Irgendwie habe ich dieses Mal so ein Gefühl, dass du sie irgendwann einmal gebrauchen musst. Ich kann dir zeigen, wie man mit Stock, Schwert und Lanze kämpft.“
„Nun ja, wenn du meinst.“
„Ja, das meine ich. Ich würde fast meinen, ich weiß es.“
„Woher?“, fragte Berthold verwundert.
„Ach, woher schon?“, wehrte Petz ab und fügte ein „Schaden wird es jedenfalls nicht“ hinzu, als er Bertholds skeptischen Blick sah.
Fortan sah man die beiden des Öfteren mit einem langen Bündel durch die Gassen von Babenhausen und in Richtung des Waldes ziehen. Dort suchten sie sich eine kleine, sandige Lichtung, die von blickdichtem Ginster umwuchert war, und erklärten diese kurzerhand zu ihrem Waffenplatz. Geduldig brachte Petz Berthold hier den richtigen Umgang mit Schwert und Lanze bei.
Das eine oder andere Mal schimpfte Walther, der sehr wohl wusste, was die beiden trieben, mit Petz, weil Berthold bei den Kampfübungen wieder Blessuren davongetragen hatte. Aber Petz lächelte nur und entgegnete: „Er kann doch noch arbeiten – und die Verletzungen werden weniger.“
Und tatsächlich: Im Laufe der Zeit wurde Berthold trotz seines lahmen Beins immer gewandter in der Handhabung der für ihn neuen Waffen und für Petz nicht mehr so leicht zu schlagen. Immer seltener trug er jetzt blaue Flecken und Abschürfungen davon und Petz bemerkte – nicht ohne fast väterlichen Stolz – dass Berthold ein begabter und gelehriger Schüler war. Natürlich reichte seine Kampfkunst bei Weitem nicht an die des schlachtenerprobten Knechts heran. Und immer, wenn Berthold sich gerade freute, einen Angriff von Petz hervorragend pariert zu haben, verpasste ihm dieser einen überraschenden Hieb oder Stich mit dem hölzernen Übungsschwert, dass ihm Hören und Sehen verging.
„Sonne dich nicht in dem Erfolg einer gelungenen Parade, solange dein Gegner nicht besiegt vor dir liegt oder die Waffen streckt“, speichelte Petz ebenso streng wie schadenfroh, wenn sich Berthold wieder einmal mit schmerzverzerrtem Gesicht die Rippen hielt oder eine schmerzende Schulter massierte. Der Knecht war ein strenger, aber väterlicher Lehrmeister, der Bertholds Ehrgeiz weckte und in die richtige Richtung lenkte.
An einem warmen Sonntagnachmittag im Juli saßen sie nach den gemeinsamen Übungen zusammen unter den Bäumen, wie sie es oft taten. Berthold schnaufte noch von der Anstrengung des letzten Kampfes, als Petz unvermittelte fragte: „Du hast keine deiner seltsamen Träume mehr gehabt seit dem letzten Mal in der Küche, nicht wahr?“
„Nein, das war der letzte. Du hast mich verstanden, nicht wahr?“
Petz schwieg ein Weile und sah hinauf zu den Wipfeln der Bäume, bevor er antwortete: „Dich ja, deine Träume nicht. Wie sollte ich? Aber was spielen die Bilder für eine Rolle, wenn ich dich leiden sehe? Zerfressen von bösen Visionen und Albträumen? Unerwünschte Wesen in deinem Schädel. Ich wusste nur sofort, dass dir ein Medicus, der Bader oder ein anderer Quacksalber mit seinen Pastillen, Tränken und Salben nicht würde helfen können. Und nach allem, was du mir von deinen Träumen erzählt hast, gehörst du für meine Begriffe auch nicht in den Narrenturm. Ich denke, dein Leiden muss anders geheilt werden. Ich glaube nicht einmal, dass es ein Leiden oder eine Krankheit ist.“
„Petz, sag es mir! Was bedeuten diese furchtbaren Träume? Warum kommen meine Eltern darin vor? Was hat das alles zu bedeuten und warum weißt du davon und scheinst es zu verstehen?“
Petz setzte sich etwas bequemer an der stattlichen Birke auf, deren Stamm er mühelos verdeckte, und sah Berthold an. „Mein Freund, du fragst den falschen Mann. Ich weiß nichts von solchen Dingen, ich weiß nur das, was mir das Leben beigebracht hat, und ich weiß das, was du mir von deinen Ahnungen berichtet hast. Ein jeder Mensch ist die Summe seiner Erlebnisse, seines Schicksals und dem, was er daraus schmiedet. Ich denke, das, was
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