Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
er dumm aus der Wäsche gucken, wenn er sie erblickte! Sie würde ihn mitnehmen nach Mainz, so hatte sie es mit ihrem Vater besprochen. Weg aus den Fängen von Etzelroth, fort von der lauernden Gefahr.
Als Katharina wieder die Augen aufschlug, erschrak sie. Sie war eingeschlafen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät. Sie sprang auf und schlich sich leise aus dem Haus, um nach dem Stand der Sterne zu sehen. Nein, es war noch nicht zu spät, aber bereits Zeit. Kurz darauf stand sie mit ihrem Pferd am südlichen Stadttor, wo sie den beiden Wachen stumm ein Zeichen gab und jedem der Männer wie vereinbart noch je eine Silbermünze in die Hand drückte. Zügig führte sie ihr Pferd durch das geöffnete Tor, das sich leise wieder hinter ihr schloss. Unterhalb der Höhe des Schießwalls und außerhalb der Hörweite der Stadt saß Katharina schließlich auf und galoppierte in einem großen Bogen nach links um Dieburg herum, um sich dann nach Südwesten in Richtung Babenhausen zu wenden.
Jakob Herms ahnte nichts von alldem. Er war zu sehr damit beschäftigt, auf seinen Kopf aufzupassen, damit dieser nicht vornüber auf den Tisch schlug. Auch Ambrosius Kufner spürte trotz des Dünnbiers mittlerweile die Wirkung der zahlreich geleerten Krüge, behielt aber dennoch einen klaren Kopf und beobachtete aufmerksam sein Gegenüber. Herms stützte sich mal mit der rechten, mal mit der linken Hand ab, um nicht von der Bank zu sinken. Er lallte bereits unverständliches Zeug und blinzelte blöde aus kleinen, versoffenen Augen. Aber Ambrosius Kufner kannte keine Gnade und bestellte eine Runde nach der anderen. Der Wirt war mittlerweile sein bester Freund, hatte er doch schon lange nicht mehr einen solchen Umsatz an nur einem Tisch mit zwei Gästen gehabt.
Als der Schreiber lautstark nach einem weiteren Bier rief – es mochte das fünfzehnte oder gar das zwanzigste sein, er hatte selbst aufgegeben zu zählen –, knickten die Arme von Jakob Herms ein. Er sackte vornüber auf den Tisch, schlug sich die Nase blutig und rutschte, zähflüssig wie Honig, langsam seitlich von der Bank, wo er auf dem Boden liegen blieb. Sofort begann er lautstark zu schnarchen.
Lächelnd rief Ambrosius den Wirt, bestellte noch etwas Wegzehrung aus Brot, Käse und Wurst und beglich die Rechnung. Dann schleppte er zusammen mit dem Wirt seinen bewusstlosen Trinkkumpan wie einen Kornsack auf dessen Zimmer. Er dankte dem Wirt, gab ihm eine Münze und stand noch eine Weile im Türrahmen, um den selig schnarchenden Jakob Herms zu betrachteten.
„Wenn du denkst, der nächste Tag wird schlimm, dann warte mal ab, was Etzelroth mit dir macht!“, sagte er zu dem Schlafenden. Ambrosius Kufner lachte schadenfroh und dachte: Wenzel von Sicking wäre stolz auf mich.
Der Schreiber schloss die Tür und packte seine und die restlichen Sachen seiner Tochter zusammen, bevor er sich auf sein Lager legte. Doch er schlief nicht und hoffte inständig, dass Katharina rechtzeitig zurückkehren würde. Er hatte Angst um sie, denn dieses Unterfangen war nicht ungefährlich für eine junge Frau. Ambrosius Kufner wollte auf keinen Fall warten, bis Jakob Herms am Morgen erwacht wäre. Wenn dieser seine zugeschwollenen Augen auftäte, wären sie schon in Richtung Mainz unterwegs. Unterwegs in Richtung Sicherheit.
Es dämmerte bereits, als Katharina Kufner im scharfen Galopp direkt auf Babenhausen zuhielt. Das Stadttor war noch verschlossen und so stieg sie ab und klopfte. Kurz darauf hörte sie das schabende Geräusch der Riegel, die beiseite geschoben wurden. Knarrend wurden die schweren Torflügel geöffnet.
„Oh, junge Maid, so früh schon unterwegs?“
Es war Hartmuth. Derselbe Wachmann, der auch Berthold kontrolliert hatte.
„Wohin des Wegs, was willst du hier?“
„Ich möchte zu Walther Köppler“, antwortete Katharina. Sie hatte sich extra eine Geschichte ausgedacht, weshalb sie ihn dringend sehen müsse. „Ich muss unbedingt …“, setzte sie an, doch der Wachsoldat hob sofort beide Hände und fuchtelte abwehrend.
„Nein, nein – ich will es gar nicht hören! Wer zu Meister Köppler will, der soll passieren. Das letzte Mal, als ich zu genau fragte, hat man mir ordentlich den Kopf gewaschen. Auf eine Wiederholung lege ich keinen Wert. Soll doch zu Köppler kommen, wer will. Er muss wahrlich ein gefragter Mann sein. Reite ruhig zu ihm, aber erspare mir deine Geschichte. Reite die Gasse entlang bis zum Marktplatz und dann die erste Gasse nach rechts.
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