Schattenfeuer
anderen, zog die Beine an und streckte sie wieder...
»Rachael...«
Er hörte, wie er dieses Wort aussprach, nur dieses eine, jedesmal mit einer anderen Betonung. Zwar fiel es ihm zunehmend schwerer, Zunge und Kehlkopf zu kontrollieren, doch die Formulierung des Namens bereitete ihm keine Probleme. Manchmal wußte er, was die Silben bedeuteten, und dann wieder blieben sie ohne irgendeinen Sinn für ihn. Trotzdem führte der Klang immer zur gleichen Reaktion, stimulierte eiskalte Wut.
»Rachael...«
Hilflos schwamm er im sturmgepeitschten Meer der Metamorphose, stöhnte und knurrte, zischte, ächzte und wimmerte. Und manchmal gab er ein leises, gutturales Kichern von sich. Er keuchte und hustete, schnappte schnaufend nach Luft. Er lag auf dem Rücken, zitterte und bebte am ganzen Leib, als ihn die Flut der Veränderung durchwogte, gestikulierte mit Händen, die zweimal so groß waren wie die des Genetikers Eric Leben.
Knöpfe lösten sich von seinem rotkarierten Hemd. Ein Schultersaum riß auf, als der Umfang des Torsos immer weiter zunahm, als ihm der innere Motor des Wandels eine neue Gestalt aufzwang.
»Rachael...«
Während der vergangenen Stunden waren seine Füße mehrmals größer und kleiner geworden, und die Stiefel schienen einen fast rhythmischen Druck auf die Zehen auszuüben, der nun wieder zunahm. Eric konnte den Schmerz nicht länger ertragen, riß die Absätze und Sohlen fort, kratzte mit scharfen Krallen über zähes Leder und zerfetzte es.
Als er die nackten Füße sah, stellte er fest, daß sie sich ebenso drastisch verändert hatten wie seine Hände. Sie waren breiter und flacher, wirkten knotig und wiesen mehrere knöcherne Buckel auf. Die Zehen -so lang wie Finger. Und sie endeten in Krallen, die denen der Hände ähnelten.
»Rachael...« Die Veränderung schlug wie ein Hammer auf ihn ein, sauste wie ein Blitz herab, der einen Baumstamm auseinander
brechen ließ. Das Brennen erfaßte zunächst die höchste Stelle seines Körpers und setzte sich dann im Rest des Leibes fort, erstreckte sich von den Haarspitzen bis zu den Fußsohlen.
Eric krümmte sich zusammen, pochte mit den Fersen auf den Boden.
Heiße Tränen quollen ihm aus den Augen, und zähflüssiger Speichel tropfte ihm von den Lippen.
Doch obwohl er in Schweiß gebadet war und ihn das Veränderungsfeuer zu verbrennen schien, verblieb ein Kern aus Kälte im Zentrum seines Wesens, im Fokus des Denkens und Empfindens.
Eric kroch in eine Ecke des Zimmers und rollte sich dort zusammen. Das Brustbein knackte und verbreiterte sich, gewann eine neue Form. Das Rückgrat knirschte, und er spürte, wie es ebenfalls in Bewegung geriet, um sich den anderen Veränderungen anzupassen.
Nur wenige Sekunden später krabbelte er auf allen vieren in die Mitte des Raumes zurück und stemmte sich in die Höhe. Eine Zeitlang hielt er den Kopf gesenkt und knurrte kehlig, wartete darauf, daß sich der Schwindel verflüchtigte.
Das Veränderungsfeuer kühlte sich endlich ab. Und das bedeutete: Seine Gestalt stabilisierte sich.
Schwankend stand er auf.
»Rachael...«
Eric öffnete die Augen, blickte sich im Motelzimmer um und war nicht sonderlich überrascht, als er die Feststellung machte, daß er im Dunkeln fast ebenso gut sehen konnte wie zuvor bei hellem Tageslicht. Darüber hinaus hatte sich sein Blickfeld erweitert. Auch wenn er starr geradeaus sah, blieben die Konturen der Gegenstände rechts und links von ihm klar und scharf.
Er trat an die Tür heran. Teile seines mutierten Körpers schienen noch nicht voll entwickelt zu sein, und aus diesem Grund taumelte er unbeholfen, wie ein überdimensioniertes Schalentier, das gerade erst gelernt hatte, aufrecht wie ein Mensch zu stehen. Andererseits: Er war keineswegs behindert. Eric wußte, daß er sich schnell und lautlos bewegen konnte, und tief in sich spürte er eine enorme Kraft.
Er gab ein leises Zischen von sich, das sich im Fauchen des Windes und dem Prasseln des Regens verlor, zog die Tür auf und trat in die Nacht, die ihn mit kühler Finsternis willkommen hieß.
35. Kapitel - Ein Etwas, das die Dunkelheit liebt
Whitney verließ die Wohnung des Verwalters im Golden Sand Inn durch die Hintertür der Küche. Sie führte in eine staubige Garage, in der nun der schwarze Mercedes stand, unter dem sich einige Pfützen aus abgetropftem Regenwasser gebildet hatten. Der Karmann Ghia hingegen parkte auf der Zufahrt hinter dem Motel.
Gavis blieb kurz stehen und wandte sich noch einmal zu
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