Schattenfeuer
unstet durch den Raum und gewährte Ben nur flüchtige Blicke auf einzelne Aspekte des Dekors. Das Zimmer schien noch wesentlich mo derner zu sein als die Einrichtung in der Villa, geradezu futuristisch.
Rachael legte Pistole und Handtasche auf den Schreibtisch und trat an die eine Wand heran, wo sich Ben zu ihr gesellte. Dort richtete sie die Taschenlampe auf ein Gemälde, das rund einen Quadratmeter groß sein mochte: Shadway erblickte gelbe und düstere Grautöne, hier und dort einige dünne, kastanienbraune Linien. Wie Blutspritzer...
»Noch ein Rothko?« fragte er.
»Ja. Und die Funktion dieses Bildes beschränkt sich nicht nur darauf, ein Kunstwerk zu sein.«
Rachael schob die Finger unter den matt schimmernden Rahmen und tastete an der unteren Kante entlang. Irgend etwas klickte, und das große Gemälde schwang von der Wand fort. Dahinter kam ein Safe mit runder Klappe zum Vorschein. Ben starrte auf das Metall, den Kombinationsknauf, den glänzenden Griff.
»Banal«, brummte er.
»Keineswegs. Es handelt sich nicht um einen gewöhnlichen Wandsafe. Die Stahleinfassungs ist zehn Zentimeter dick, und Klappe und Gehäuse weisen sogar eine Stärke von fast dreizehn Zentimetern auf. Der Safe ist nicht nur in die Wand eingelassen, sondern mit den Stahlträgern des Gebäudes verschweißt. Um ihn zu öffnen, sind zwei Kombinationen erforderlich.« Sie lächelte dünn. »Man könnte ihn nur mit Hilfe einer Kanone und panzerbrechenden Geschossen aufbrechen -und damit würde man hier vermutlich alles in Schutt und Asche legen.«
»Was bewahrt Eric denn darin auf?« fragte Ben verwundert. »Den Sinn des Lebens?«
»Wahrscheinlich ein wenig Bargeld, wie auch im Safe der Villa«, erwiderte Rachael und reichte Ben die Taschenlampe. Sie drehte den Kombinationsknauf. »Und wichtige Papiere.«
Ben beleuchtete die Klappe. »Darauf hast du es also abgesehen? Auf das Geld?« »Nein. Einen Aktenordner. Oder vielleicht ein Ringbuch mit Notizen.« »Was für Notizen?«
»Die grundlegenden Daten eines wichtigen Forschungsprojekts. Mehr oder weniger eine Übersicht, die in groben Zügen alle bisherigen Entwicklungen darstellt und zu der auch Kopien der regelmäßigen Berichte von Morgen Lewis gehören. Lewis ist der Projektleiter. Und wenn wir Glück haben, befindet sich hier drin außerdem Erics persönliches Arbeitstagebuch, in dem er alle seine Überlegungen in bezug auf die praktischen und philosophischen Bedeutungen des Entwicklungsprogramms festhielt.«
Es überraschte Ben, daß Rachael seine Frage beantwortete. War sie endlich bereit, ihn zumindest in einen Teil ihres Geheimnisses einzuweihen?
»Was für ein Entwicklungsprogramm?« hakte er nach. »Um was geht es dabei?«
Die junge Frau blieb stumm und wischte sich ihre schweißfeuchten Finger an der Bluse ab, bevor sie das Rad zur ersten Zahl der zweiten Kombination zurückdrehte.
»Was hat es damit auf sich?« drängte Ben.
»Ich muß mich konzentrieren, Benny«, sagte Rachael. »Wenn ich eine falsche Nummer wähle, bleibt mir nichts anderes übrig, als noch einmal ganz von vorn anzufangen.«
Nur der Hinweis auf die Akte - mehr nicht. Shadway war nicht bereit, sich damit zufriedenzugeben. »Es gibt doch bestimmt Hunderte von Unterlagen, die viele verschiedene Projekte betreffen. Wenn Eric es für nötig hielt, diesen einen Ordner hier aufzubewahren, so steht er sicher im Zusammenhang mit der wichtigsten Sache, an der Geneplan derzeit arbeitet.«
Rachael konzentrierte sich ganz auf den Safe.
»Eine wirklich bedeutende Angelegenheit«, sagte Ben.
Die junge Frau blieb still.
»Oder es handelt sich um einen Forschungsauftrag der Re gierung, des Militärs vielleicht.«
Rachael gab die letzte Ziffer ein, zog am Griff und öffnete die Klappe. »Verdammt!«
Das Fach war leer.
»Sie sind vor uns hier gewesen«, sagte sie.
»Wer?« fragte Ben.
»Offenbar ahnten sie, daß ich Bescheid weiß.«
»Wer ahnte etwas?«
»Andernfalls hätten sie es nicht so eilig gehabt, die Akte zu holen«, fügte Rachael hinzu.
»Wer?« wiederholte Ben.
»Überraschung«, ertönte hinter ihnen eine Stimme.
Rachael schnappte erschrocken nach Luft, und Ben wirbelte um die eigene Achse, richtete den Lichtkegel der Taschenlampe auf einen hochgewachsenen und kahlköpfigen Mann, der einen lohfarbenen Anzug und ein Hemd mit grünen und weißen Streifen trug. Auf seinem Schädel zeigte sich nicht einmal die Andeutung eines Haars. Das Gesicht war kantig, der Mund breit, die Nase lang
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