Schattenfluch: Druidenchronik. Band 3 (German Edition)
die Fomorer-Krieger auf breiter Front von der Isa zurückgedrängt und eilten nun bereits in Richtung des großen Zeltplatzes, wo Rushais Reserve einen Schildwall errichtet hatte, um sie davon abzuhalten. Dennoch würde es schwierig werden, die einmal entfesselte Wut der Stammeskrieger noch einmal in ihre Schranken zu weisen, zumal die Moral von Rushais Fomorer-Kriegern durch den Durchbruch des Feindes erheblichen Schaden genommen hatte.
Zum Glück war dies auch nicht nötig. Der Dämon würde die Germanen so vernichtend schlagen, wie es Rushai ansonsten nur durch eine Einkesselung gelingen könnte. Ihre Armee befand sich nun in allerbester Position für seinen Angriff. Der Dämon würde ihre Formation zerschlagen, ihre Moral vernichten und ihre Armee in tausend Stücke sprengen. Mit einem grimmigen Lächeln wartete Rushai auf Ur’toloshs Ankunft.
»Lord Rushai«, ertönte hinter ihm eine Stimme.
Er drehte sich um. Tagaris stand im Eingang des Feldherrnunterstandes. Der Gesichtsausdruck des gelockten Schattens – sonst beinahe gütig, was schon manch einen Kriegsgefangenen zu ziemlich falschen Schlüssen veranlasst hatte – war hart. Eisig abweisend und hart.
Rushai erlebte einen kurzen Moment des Schreckens. Was tat Tagaris hier? Hätte er nicht bei seinen Männern sein sollen, jederzeit bereit, den Dämon mit einer Sendung herbeizurufen? Doch er zwang sich zur Ruhe. Vermutlich war Tagaris auch von hier aus in der Lage dazu. Tagaris war ein Lord und als solcher Herr einer mächtigen Magie. »Was wollt Ihr, Lord Tagaris? Ich habe meinen Melder nach Euch geschickt. Es ist Zeit.«
»Lord Rushai. Ur’tolosh ist verschwunden.«
Rushai starrte ihn an. »Was meint Ihr damit?«
»Ur’tolosh ist weg. Ich kann ihn nicht mehr herbeirufen.«
Rushais Hände ballten sich zu Fäusten. Noch einmal warf er einen Blick nach draußen, wo die Fackeln der Germanen anzeigten,dass sie gegenüber dem Zeltplatz einen eigenen Schildwall gebildet hatten und sich auf einen Angriff vorbereiteten. Seine Stimme bebte, als er sich zurück zu dem Lord wandte. »Ihr habt mir versprochen, ihn kontrollieren zu können.«
»Das habe ich auch. Aber er wurde weggerufen. Von einer Macht, die eine stärkere Bindung zu ihm hat als ich.«
»Was meint Ihr? Welche Macht hat ihn weggerufen?«
»Für den heutigen Plan habe ich das Band zu Ur’tolosh gestärkt, bis nur noch ein anderer unter den Zauberern eine stärkere Bindung hatte als ich.« Er sprach nicht weiter, diesmal jedoch nicht aus Atemnot. Rushai hatte das Gefühl, dass der Lord ihm die Möglichkeit gab, selbst auf die Antwort zu kommen.
Und er kam darauf. Einmal darüber nachgedacht, war es nicht schwer. »Ashkaruna?«, flüsterte er fassungslos.
Tagaris nickte wortlos.
»Ashkaruna hat den Dämon zurückgerufen?«
»So sieht es aus, Lord Rushai.«
Rushai spürte den Boden unter sich wanken. Nicht im wörtlichen Sinne, sondern im bildhaften. Er wusste, dass seine Herrschaft über den Romsdalsfjord nicht sicher war, wusste, dass er, wenn er nach Trondheim marschierte, Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Kriegern hier zurücklassen musste, um keinen Aufstand zu provozieren. Nun war plötzlich fraglich, ob er nach dieser Schlacht überhaupt noch so viele Krieger kommandieren würde. Trondheim schien in weite Ferne gerückt.
»TA-SHIRRA!!«, brüllte er, fauchte dann einen der Melder an: »Hol mir Ta’shirra!« Und zu Tal’rash gewandt: »Schicke einen Ersatz für E’Korr! Wir brauchen ihn hier! Es muss einen anderen verfluchten Schatten geben, der diesen Schildwall halten kann!«
Gedanken schossen durch seinen Kopf, drehten sich im Kreis wie in einem Strudel, der alles verschluckte, ohne irgendetwas Sinnvolles wieder auszuspucken. Von einem Moment auf den anderen schienen seine Pläne gestoppt, sein Kriegszug gescheitert, und sein Kopf war nicht mehr klar genug, sich durch diese Krise hindurchzudenken. Melder erschienen im Feldherrnunterstand,erschöpft, verschwitzt, teilweise blutig, um die Nachrichten ihrer Anführer zu übermitteln, die Bitten um Unterstützung weiterzugeben. Rushai winkte sie zu sich, doch es gelang ihm kaum noch, die Konzentration aufzubringen, um ihren Worten zu lauschen.
»RUSHAI!«, schrie draußen irgendjemand. Rushai hörte nicht darauf, versuchte dem blondbärtigen Mann mit den Blutspritzern auf der Wange zuzuhören, der ihm davon berichten wollte, dass die Halbinsel noch hielt, aber von der Seite des Durchbruchs her immer stärker bedrängt
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