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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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eine lange Betontreppe nach unten gehen. Blassblaues Neonlicht beleuchtete die grauen Stufen, an den Wänden hingen Plakate von Bands, die auf der kleinen Bühne der Disco gespielt hatten. Schon bei früheren Besuchen hatte Kim sich gefragt, was es zu bedeuten hatte, dass man die Plakate ausgerechnet vor den Klos aufgehängt hatte.
    Ihr Blick blieb an dem Bild einer kleinen Metal-Band hängen, deren Mitglieder ihre Tattoos demonstrativ in die Kamera hielten. Eine Menge Totenköpfe und Drachen. Unbewusst scannte Kim das gesamte Plakat.
    Keine Libellen.
    Gut.
    Der Schweiß, der ihr beim Tanzen ausgebrochen war, begann zu trocknen und sie fröstelte.
    Natürlich war auch vor der Frauentoilette eine Schlange. Am Ende standen zwei der drei Mädels, die Kim vorher an der Bar gesehen hatte. Sie musste sich direkt hinter ihnen anstellen.
    »He!«, sagte die eine von ihnen. Sie hatte pechschwarze streichholzkurze Haare. Die Augen waren so stark geschminkt, dass sie damit aussah wie ein Waschbär. »Du bist doch mit Lukas hier, oder?«
    Kim begegnete ihrem herausfordernden, fast feindseligen Blick. »Ja, und?«, fragte sie.
    Die Schwarzhaarige grinste. »Nur so.« Einen Moment lang schwieg sie, dann breitete sich ein fieses Grinsen auf ihrem Gesicht aus. »Wie kommt es, dass er sich für einen Loser wie dich interessiert?«
    Kim, die Sticheleien mehr als gewöhnt war, lächelte schmal. »Vielleicht, weil er nicht auf solche Zicken wie dich steht.«
    Die Schwarzhaarige glotzte verblüfft.
    »Du hältst dich wohl für total cool, was?«, mischte sich jetzt das andere Mädchen ein. Sie trug einen modischen Bob, der hinten im Nacken kürzer geschnitten war als vorne. Sie kaute mit solchem Elan an ihrem Kaugummi, dass Kim bei dem Anblick an eine Kuh auf einer Almwiese denken musste. Der Gedanke amüsierte sie. Mit einem herausfordernden Blick antwortete sie: »Kommt drauf an, wen man fragt.« Dabei dachte sie: Verglichen mit euch, vermutlich schon. Vergnügt stellte sie fest, dass sich ihre gute Laune durch die blöden Kommentare nicht verändert hatte.
    »Wenn ich du wäre«, sagte nun wieder die Schwarzhaarige, »dann würde ich vorsichtig sein.«
    »Mit Lukas, meint sie«, half Miss Bob aus und produzierte eine Kaugummiblase, die kurz darauf lautstark zerplatzte.
    »Weil?« Kim verschränkte die Arme vor der Brust. Langsam wurde ihr das hier wirklich zu blöd. Wenn sie nicht unbedingt zur Toilette müsste, hätte sie die beiden schon längst einfach stehen lassen. Aber so blieb ihr nichts anderes übrig, als auszuharren.
    Wieder grinste die Schwarzhaarige. »Weil er ein echt fieser Typ ist.«
    Möglichst gleichgültig zuckte Kim mit den Schultern.
    »Hat mal eine Schlägerei gehabt, auf dem Schulhof«, behauptete die Schwarzhaarige. »Da war er erst in der Siebten. Mit zwölf Stichen mussten sie den anderen nähen.«
    »Es heißt, seine letzte Freundin hätte er auch verprügelt«, gab jetzt auch Miss Bob ihr Wissen zum Besten.
    Kim wandte sich demonstrativ ab. So einen Quatsch würde sie sich überhaupt nicht anhören!
    »Du glaubst bestimmt, dass das nur dummes Gerede ist, aber warum sollte er sonst zwei Jahre im Knast gesessen haben?«
    Die Schlange war in der Zwischenzeit ein ganzes Stück vorangerückt und endlich war Miss Bob an der Reihe. Kim starrte auf die Toilettentür, hinter der sie verschwunden war.
    In dem engen, gekachelten Raum roch es nach Lavendel und Klostein. Kim schluckte und war froh, als sie selbst endlich an der Reihe war und danach wieder zurück nach oben gehen konnte. Die beiden Lästermäuler waren nirgends mehr zu sehen. Dafür begegnete Kim der Typ auf der Treppe, mit dem Lukas sich eben an der Bar unterhalten hatte.
    »Hey!«, sagte er.
    Kim nickte ihm zu und wollte sich an ihm vorbeidrängen. Aber er ließ sie nicht. Mit einer betont lässigen Geste stützte er dicht neben ihrem Kopf die Hand gegen die Wand. »Wohin so eilig?«
    Kim wusste, dass es in solchen Fällen eine einfache und sehr wirkungsvolle Methode gab, die Anmache zu beenden. »Zu meinem Freund«, sagte sie. »Er wartet oben an der Bar.«
    Doch bei diesem Typen schien der Wink nicht zu funktionieren. »Lass ihn doch warten! Ich bin sicher, wir beide könnten viel mehr Spaß zusammen haben.« Sein Gesicht kam immer näher. Er roch unangenehm, nach Schnaps und irgendetwas Bonbonsüßem, einem Energydrink wahrscheinlich. Vielleicht hatte er den Flying Hirsch getrunken, auf den Kim verzichtet hatte. Er beugte sich weiter vor und Kim

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