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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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nach oben. »Ich kann gerade nicht glauben, dass du das überhaupt fragen musst!«
    »Er ist …«
    »Er ist polizeilich bekannt, Kim! Er hat …«
    Wütend starrte Kim ihn an. »Du hast ihm hinterhergeschnüffelt?«, rutschte es ihr sehr viel lauter und aggressiver heraus, als sie beabsichtigt hatte.
    Sigurd zuckte zusammen. Ein Anflug von schlechtem Gewissen huschte über sein Gesicht. Sein Beruf als angesehener Journalist ermöglichte ihm ziemlich gute Kontakte zu einigen Polizisten, vor allem aber zu einer Menge Polizeireportern. Er behauptete immer, dass er das Geheimnis eines jeden Menschen herausfinden könnte, wenn er wollte. Offenbar war das keine Übertreibung.
    Lukas – polizeilich bekannt?
    Für einen kurzen Moment verspürte Kim das Bedürfnis, Sigurd zu fragen, was genau er über Lukas herausgefunden hatte. Die altvertraute Angst schnürte ihr wieder die Kehle zu und sie konnte sich nicht anders dagegen wehren, als mit Worten um sich zu schlagen. »Das ist ja wohl das Allerletzte!«, zischte sie Sigurd an.
    Der lehnte sich zurück. »Hör mal, Kim!« Seine Stimme war leise, sein Blick flehend. »Du hast ja recht, es war vielleicht nicht richtig, das hinter deinem Rücken zu tun, aber …«
    »Ganz genau! Nur weil du Reporter bist, heißt das nicht, dass du dir alles erlauben darfst!«
    »Ich dachte nur – seit der Sache mit …« Sigurd unterbrach sich, bevor ihm Ninas Name über die Lippen kam. Offenbar erinnerte er sich gerade noch rechtzeitig daran, was es ausgelöst hatte, als er am Samstagabend mit diesem Argument versucht hatte, Kim von ihrem Discobesuch abzuhalten. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich habe einfach Angst um dich, Kim!«
    »Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen.« Da er so zerknirscht wirkte, versuchte auch Kim, sich wieder zu beruhigen, und senkte ihre Stimme auf eine normale Lautstärke. »Lukas hat mich heute zu seiner Mutter mitgenommen«, erzählte sie. Sie wusste, dass sie Sigurd etwas bieten musste, wenn sie ihn dazu bringen wollte, ihr zu vertrauen. »Sie lebt in einem …«
    »… Pflegeheim, ich weiß.« Sigurd wischte sich über die Augen. »Raste nicht gleich wieder aus. Auch das habe ich recherchiert. Sein Vater hat seine Mutter ins Koma geprügelt.«
    Kim nickte. Irgendwie beruhigte es sie, dass bei Sigurds Recherchen dasselbe herausgekommen war, wie Lukas ihr erzählt hatte. In ihrem Hinterkopf begannen schon wieder die Gedanken zu kreisen.
    … mit zwölf Stichen mussten sie nähen …
    … er ist polizeilich bekannt …
    Mit beiden Händen strich sie sich die Haare aus der Stirn. Eben im Auto noch hatte sie keinerlei Zweifel an Lukas gehabt. Warum konnte das jetzt nicht einfach mal so bleiben? Musste denn immer sofort der nächste Hammer folgen?
    »Du hättest ihn sehen sollen, wie er mit seiner Mutter umgegangen ist«, sagte sie. »Er ist kein schlechter Mensch, Sigurd!«
    Sigurd sah sie direkt an. Kim konnte die unterschiedlichsten Gefühle in seinen Augen lesen. »Erinnerst du dich, was wir früher immer gesagt haben?«, murmelte er. »Die Sache mit Kopf und Herz?«
    Daran erinnerte Kim sich gut. Sigurd hatte ihr, als sie jünger war, oft davon erzählt, wie es war, wenn Kopf und Herz sich miteinander stritten. Damals hatte er immer gesagt, dass es das Beste war, seinem Herzen zu folgen.
    Heute jedoch schien er etwas anderes zu meinen. Er räusperte sich. »Es gibt ein paar Situationen, Kim, in denen ist es besser, dem Kopf zu vertrauen.«
    Kim atmete zweimal tief durch. »Und dies ist so eine Situation?«
    »Meiner Meinung nach schon.«
    Warum war Lukas polizeilich bekannt? Die Frage bohrte sich wie eine lange, spitze Nadel in ihren Verstand. Sie war drauf und dran, Sigurd zu fragen, was genau er herausgefunden hatte, aber dann entschied sie sich dagegen. Sie würde sich das, was Lukas und sie zusammen hatten, nicht von anderen kaputt machen lassen. Sie würde Lukas vertrauen, schon allein deswegen, weil sie das bisher bei keinem anderen Jungen geschafft hatte. Mühsam stützte sie sich auf der Tischplatte ab und stemmte sich hoch. »Ich glaube, ich bin alt genug, um diese Entscheidung selbst zu treffen«, sagte sie leise.
    Sigurd rührte sich lange nicht. Dann nickte er. »Hoffentlich.« Er gab sich einen Ruck. »Macht es dir etwas aus, wenn ich uns zum Abendessen eine Pizza kommen lasse?«
    »Nö.« Jetzt warf Kim einen genaueren Blick auf den Laptopmonitor. »Newsweek« stand in der Adresszeile des E-Mail-Programms. »Du hast ziemlich viel zu

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