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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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tun, oder?« Sie hoffte, Sigurd würde sich auf den Themenwechsel einlassen, und zu ihrer Erleichterung tat er das auch.
    Seine Augen fingen an zu strahlen. »Ich habe vorhin eine Mail bekommen«, sagte er. »Newsweek hat meinen Artikel über die Russenmafia gekauft. Er soll noch in diesem Monat erscheinen.«
    Kim ignorierte das Knurren ihres Magens und setzte sich wieder. »Russenmafia?«, fragte sie. Sie hatte keine Ahnung, was das für ein Artikel war.
    Sigurd klappte den Laptop zu. »Du kannst nichts davon wissen. Ich habe im letzten Jahr daran gearbeitet.« Nachdem deine Mutter mich in die Wüste geschickt hat, hieß das im Klartext. Kim presste die Lippen zusammen.
    »Es ist ein langer Artikel über einen Dokumentenfälscher, ein Mann namens Igor Stoijkov. Er hat jahrelang für die Russenmafia gearbeitet und ist erst vor einigen Monaten ausgestiegen. Er hat mir erlaubt, exklusiv über seine Arbeit dort zu berichten.« Ein seliges Grinsen glitt über Sigurds Gesicht und zeigte Kim, dass er Lukas nun endgültig vergessen hatte. »Ich habe unfassbare Interna erfahren, Kim! Und jetzt die Veröffentlichung in Newsweek! Vielleicht bekomme ich sogar irgendwann den Pulitzerpreis!«
    Newsweek, das wusste Kim, war ein Nachrichtenmagazin, so was wie das amerikanische Gegenstück zum deutschen SPIEGEL. Und der Pulitzerpreis war im Prinzip der Oskar für Journalisten. Sigurd träumte davon, ihn eines Tages zu gewinnen.
    Jetzt verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und seufzte verträumt. Er sah aus wie eine Katze, die gerade den Kanarienvogel verspeist hatte.
    »Deine glorreiche Karriere in allen Ehren«, sagte Kim und stand auf, weil draußen auf dem Flur das Telefon klingelte, »aber ich habe saumäßigen Hunger.«
    Das holte Sigurd auf den Boden der Tatsachen zurück. Nachdenklich rümpfte er die Nase. »Weißt du, wo der Prospekt vom Pizzaservice ist?«
    »Nein!« Kim lief zum Telefon. Beim vierten Klingeln hob sie ab. »Ferber?«
    Am anderen Ende war Sabrina. »Hey! Ich bin’s! Weißt du was Neues über Marie?«
    Das schlechte Gewissen überrollte Kim von einer Sekunde auf die andere. Den ganzen Nachmittag hatte sie nicht mehr an ihre Freundin gedacht. Sofort meldeten sich die düsteren Vorahnungen wieder und ihr wurde ganz flau im Magen bei dem Gedanken, wo Marie jetzt wohl sein mochte. »Leider nicht«, sagte sie.
    »Die ganze Sache macht dich ganz schön fertig, oder?« Es knackte in der Leitung.
    Kim starrte einen Moment vor sich hin. »Keine Ahnung. Dich nicht?«
    Sabrina zögerte mit der Antwort. »Ich glaube halt immer noch, dass sie einfach nur abgehauen ist.« Aber sie klang bei Weitem nicht mehr so sicher wie noch am Morgen. Kim konnte die Frage in ihrer Stimme mitschwingen hören, die Hoffnung darauf, eine Bestätigung zu bekommen.
    Kim tat ihr den Gefallen. »Wahrscheinlich.«
    »Ihr Handy ist noch immer ausgeschaltet. Vielleicht will sie einfach nicht gefunden werden. Meinst du, wir müssen uns echt Sorgen um sie machen?«
    »Keine Ahnung. Sie ist ja schon öfter weg gewesen.«
    Sabrina seufzte. »Ja. Aber noch nie länger als zwei Tage.«
    Da reichte es Kim. »Was willst du hören?«, fauchte sie ihre Freundin an. »Dass alles wieder gut werden wird? Dass Marie schon nichts passiert ist? Ich weiß nicht, wo sie steckt, Sabrina!« Den letzten Satz schrie sie und erschrak ein bisschen über sich selbst.
    Sigurd streckte den Kopf aus der Küche und schaute Kim überrascht an. In der Hand hielt er den Flyer des Pizzaboten.
    Kim drehte ihm den Rücken zu. »Wir können nur hoffen, dass sie bald wieder auftaucht«, sagte sie in einem versöhnlichen Tonfall.
    Sabrina schniefte. »Klar. Was machst du heute Abend noch?«
    »Hausaufgaben. Ich hatte am Nachmittag keine Zeit dafür.« Kim dachte an Lukas und spürte, wie sich ihre Mundwinkel hoben. Das Kribbeln in ihrem Magen kehrte zurück und vertrieb alle düsteren Gedanken wegen Marie.
    »Okay. Dann bis morgen«, murmelte Sabrina.
    »Ja. Bis morgen.« Kim legte auf und wollte das Telefon in die Ladeschale zurückstellen, aber Sigurd streckte die Hand danach aus.
    »Pizza Funghi, wie immer?«, erkundigte er sich. Kim war ihm dankbar, dass er sie nicht über das Gespräch mit Sabrina ausfragte.
    Sie nickte. Eigentlich war es egal, was er bestellte. Ihr war der Appetit wieder mal gründlich vergangen.
    Bis die Pizza kam, verzog Kim sich in ihr Zimmer, weil sie sich um die liegen gebliebenen Hausaufgaben kümmern wollte. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren.

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