Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
werde.«
Balthasar richtete sich an Sebastiens großartiger Geste und Richtung aus, dann begriff er, dass der Junge auf den lichtgeborenen Palast zeigen musste. »Ich habe gehört, er sei im Inneren sehr schön«, sagte Balthasar, »obwohl Farben einen Großteil seiner Schönheit ausmachen, und die wären an jemanden wie mich verschwendet.«
Sebastien starrte ihn an. »Würdest du gern sehen können?«, fragte er unerwartet. Balthasar versuchte, sein plötzliches Grauen zu verbergen, dass der Junge womöglich im Begriff stand, seine Magie an ihm anzuwenden. »Macht die Dunkelheit … « Seine Stimme verlor sich plötzlich, aber Balthasar hörte recht deutlich die Worte, die er nicht aussprach: … dir keine Angst?
»Ich wurde in der Dunkelheit geboren«, sagte Balthasar sanft.
»Als ich die Tür aufgemacht habe, hast du dir fast in die Hosen gemacht.«
»Das hättest du auch getan«, versetzte Balthasar, »wenn du dein Leben lang im Bewusstsein gelebt hättest, dass das Sonnenlicht dich zu Asche verbrennt. Ich wünschte, ich wüsste mehr über Magie, um zu begreifen, wie du es verhindert hast, dass ich verbrenne. Es ist etwas … Außergewöhnliches. Dein Volk muss den Fluch sehr gut verstehen.«
»Ja«, bestätigte Sebastien, »das tun wir.«
Die Räumlichkeiten des Interkalaren Rates befanden sich knapp innerhalb der Grenzen eines der neueren nachtgeborenen Distrikte. In den kleinen Reihenhäusern waren die Wohnungen und Büros von Beamten niederen Ranges und noch nicht etablierten Fachkräften untergebracht. Hätte Balthasar seinem Stand gemäß geheiratet, hätte er hier möglicherweise seinen ersten Wohnsitz gehabt. Einige Straßen weiter begann ein gleichermaßen bescheidener Distrikt der Lichtgeborenen, seit zwei oder drei Jahrhunderten die Heimat lichtgeborener Kunsthandwerker, Künstler und Handwerker. Er wollte gern glauben, dass beide Distrikte auf unerwartete Weise von ihrer Nähe zueinander profitiert hatten. Die Außenwände des Rates waren glatt verputzt, sodass die Lichtgeborenen Aushänge anbringen konnten, auf denen die Menschen Stellung zur Politik und Gesellschaft nahmen. Er konnte sich darauf verlassen, dass Floria ihm stets jene beschrieb, die seine Ratskollegen aus politischer Voreingenommenheit ihm nicht übersetzten.
Als sie sich der Treppe näherten, legte er eine Hand an die Wand, und er spürte das feuchte, klumpige Papier. Die Klumpen ließen sich zusammendrücken. Die Wand war hastig neu verputzt worden. Dann strich seine Hand über etwas Klebriges, und er fing den Geruch von Blut auf. Abrupt blieb er stehen, und es brachte Erinnerungen an die Stunden in der Chirurgie zurück. Sebastien drehte sich auf der Treppe um. »Was ist – uh! Lass das! Nicht! Das ist eklig.«
»Was … «
»Lass das! Es ist widerwärtig!«
Balthasar zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die Hände ab, wobei er seinen Geist gegen die Klebrigkeit verschloss. Sebastien rüttelte an dem Türgriff. »Abgeschlossen!« Erfolglos warf er sich mit seinem Gewicht gegen die Türen. »Ich werde mich durchbrennen müssen!«
»Nein!«, rief Balthasar und erinnerte sich an den Rauchgestank, der aus der klaffenden Mauer Stranhornes gekommen war. »Ich weiß, wo ein Schlüssel ist.«
Misstrauisch beobachtete Sebastien, wie Balthasar sich zur untersten Reihe der Wasserspeier hochzog. Floria war entsetzt gewesen, als sie davon erfahren hatte – warum, so hatte sie gefragt, ließen sie die Türen nicht einfach unverschlossen? Er ertastete den Schlüssel, der mit einem Klimpern auf die Pflastersteine fiel.
Sebastien starrte das Ding einfach nur an, während Balthasar wieder nach unten glitt und sich das Moos von seiner geliehenen förmlichen Kleidung zupfte. »Tradition«, erklärte er, während er sich steif herabbeugte, um den Schlüssel aufzuheben.
Sebastien stand neben ihm, während Balthasar den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür aufdrückte. Tief im Gebäude erklang eine Glocke, und Sebastien zuckte zusammen. »Was ist das?«
»Der Rat arbeitet Tag und Nacht – es ist besser, ihn zu warnen, wenn die Tür geöffnet wird.«
»Das hast du mir nicht gesagt.«
Er hielt Balthasar am Arm fest. »Wird hier auch Sprengstoff aufbewahrt?«
»Ich wüsste nicht, warum sie das tun sollten.«
»Du würdest ebenfalls sterben«, drohte der Junge.
»Für mich wäre das vielleicht eine Gnade«, erwiderte Balthasar und verfluchte sich selbst, dass er sich hatte gehen lassen. Etwas leiser fügte er hinzu:
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