Schattengefährte
Sterne, die vom Himmel gestürzt waren. Dann regte es sich unter ihr, die Stute drehte und wendete sich, schlug mit den Beinen und wand den Hals, um die weiße Last von sich abzuschütteln.
»Langsam!«, sagte eine heiser flüsternde Stimme. »Nicht zu wild. Dass der Bogen keinen Schaden nimmt!«
Eine Zwergenstimme! Alina rutschte unsanft zur Seite, als ihr Pferd sich unter ihr hervorwühlte und auf die Beine kam, gleich darauf wurde sie von kräftigen Händen gepackt und emporgezogen.
»Sie hat Schnee im Haar!«
»Der Bogen ist heil geblieben!«
»Sie ist ganz klamm vor Kälte.«
»Hier ist der Köcher. Und die Pfeile.«
»Wir müssen sie wärmen.«
Alina wischte sich den Schnee aus dem Gesicht und schüttelte das lange Haar. Vor ihr stand Gora, klein und hässlich, das uralte Faltengesicht zu einem Grinsen verzogen, während ihr schon die Augen vom Licht des Feenhaares tränten.
»Mein Bogen! Der Köcher!«, rief Alina erschrocken.
Morin, der Zwerg, hielt die Zauberwaffen fest in seinen großen Händen, es sah seltsam aus, denn der Bogen war höher als er selbst und die Pfeile im Köcher so zart, dass seine groben Finger sie vermutlich kaum fassen konnten. Doch seine kleinen schwarzen Augen starrten voller Begierde auf die Bogensehne, die aus goldenen Fäden geflochten war.
»Wir haben euch gerettet«, zischte Morin. »Verborgen im Berg. Tief unten in der Halle der Zwerge. Kein Drache weiß den Weg hierher.«
»Das … das war sehr freundlich von euch«, stammelte Alina. »Ich denke mal, ihr mögt die Drachen auch nicht besonders …«
»Wir hassen sie!«, wisperte Gora. »Zwerge lieben die Feen, ihr leuchtendes Haar, ihr köstliches Zauberwerk …«
Niam schüttelte immer noch heftig die Mähne und schlug mit dem Schweif, um den Schnee loszuwerden. Sie schien sich hier unten nicht sehr wohlzufühlen, kein Wunder, denn es war dämmrig, und die wenigen blauen Lichtlein ließen die Ausmaße der Zwergenhalle nicht erkennen. Im Gegenteil, sie verwirrten nur das Auge, zeigten hie und da blitzendes Gestein, violettfarbigen Amethyst, Rosenquarz, grünen Saphir …
»Unsere Hilfe ist einen Lohn wert«, krächzte der Zwerg. »Bogen und Köcher haben wir gerettet. Zauberwaffen sind gerechter Dank für solche Freundlichkeit.«
Hatte sie es doch geahnt! Die verdammten Zwerge hatten sie nicht nur gerettet, um den Drachen ein Schnippchen zu schlagen – sie waren auf ihre Waffen aus.
»Bogen und Köcher kann ich dir nicht geben, Morin. Sie gehören Etain, meiner Mutter. Sie musst du fragen, wenn du diese Zauberwaffen besitzen willst.«
Der Zwerg reckte die breite Knollennase hoch und ließ sie wieder herabsinken. Etains Name schien Eindruck auf ihn zu machen, er wirkte unentschlossen, drehte den Bogen hin und her, fuhr mit dem Finger über die goldene Sehne, als wolle er prüfen, ob sie auch fest genug gespannt war.
»Etains Bogen«, knurrte er. »Schön geflochten, aus purem Gold die Fädchen. Zart wie Spinnweb, hart wie Eisendraht …«
Gora hatte keine Augen für die blinkende Bogensehne, stattdessen hatte sie Alinas Mantel aus dem Schnee gezogen, schüttelte ihn aus und reichte ihn der Fee.
»Leg ihn um«, wisperte sie. »Er wärmt dich. Die Gänge unter der Erde sind kalt für Feenkinder.«
Alina dankte ihr zerstreut, denn der Mantel war ihre kleinste Sorge gewesen. Dann aber wurde ihr klar, dass sie und Niam hier unten gefangen waren, angewiesen auf die Hilfe der Zwerge, denn ohne Führer würden sie tagelang in den unterirdischen Gängen und Hallen umherirren und dennoch den Ausgang nicht finden.
Morin hatte inzwischen nachgedacht und war auf eine neue Lösung gekommen. Die dichten Runzeln in seinem Zwergengesicht kamen in Bewegung, man konnte den lippenlosen Mund erkennen, der sich grinsend verzog.
»Nicht Etains Bogen – aber dein Ross. Gib uns die Stute.«
»Was?«, rief Alina erschrocken. »Meine Niam? Nie im Leben. Mein Vater hat sie mir geschenkt, als ich vierzehn wurde, seitdem ist sie meine treueste Begleiterin. Was willst du mit einem Pferd, Zwerg. Sie wird dich nicht tragen, denn sie ist eigenwillig.«
Niam schien das Gespräch verstanden zu haben, denn sie scharrte mit den Hufen und legte böse die Ohren an.
»Ein Feenross aus Mirdirs Zucht«, flüsterte der Zwerg entzückt. »Wir hüten sie wie einen Schatz, die weiße Stute.«
»Bist du blind, Zwerg? Niams Fell ist braun, und in der Sonne schimmert es …«
Sie hielt inne und kniff die Augen zusammen, wischte sich dann mit dem
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