Schattengefährte
gewaltiges Feuer hinter den Bergen, schiene flammend durch sie hindurch und wolle den eisharten Firn zum Schmelzen bringen.
Tief sog die Fee das Licht in sich hinein, es schien sie zu durchtränken, und sie spürte, wie es in ihr zu leuchten begann. Plötzlich war alle Müdigkeit vergangen, Niam warf den Kopf empor und stemmte sich gegen den Wind, Alina stieg in den Sattel und trieb die Stute an, wider alle Vernunft, nur dem Zeichen folgend, das die Sonne ihr gegeben hatte. Ohne Mühe erreichten sie den Fuß der Schneeberge, fanden den schmalen Pfad, der sich über die noch rotglühenden Hänge emporwand, und Niams Hufe hielten auf dem eisigen Grund fest, als habe sie Haken darunter.
Nur kurze Zeit hielt die Feuerkraft der aufgehenden Sonne, dann stieg sie am Himmel empor, ein kleines gelbliches Gestirn, das immer wieder von dunklen Wolkenungeheuern verschlungen wurde. Jetzt bereute Alina ihren übereilten Entschluss, denn Sturm und Eis bekamen die Überhand, Schneewirbel stiegen von den Hängen auf und hüllten sie ein, nahmen ihnen die Sicht und legten sich kalt auf Haut, Haar und Gewand. Höhnisch lachte der Frost über die wagemutigen Eindringlinge, fuhr mit rauer Hand über sie hin, beutelte Ross und Reiterin, täuschte ihre Sinne und wollte sie in die Irre führen. Doch die Stute erkannte ihre eigenen Huftritte wohl, denn sie waren im harschigen Schnee rot gefärbt von ihrem Blut, ihr Körper jedoch war weiß und silbern ihre Mähne.
Steifgefroren und kaum ihrer Sinne mächtig erreichten sie den Pass und ritten zu Tal, dort aber verlor sich der Pfad im tiefen Neuschnee, vor ihnen lag eine weiß schimmernde Senke, ohne Weg, ohne Spur – wer hier weiterkommen wollte, musste Flügel haben.
Niam sah die Schatten am Himmel zuerst, das Beben, das durch ihren Leib ging, teilte Alina mit, dass eine neue Gefahr drohte. Eine düstere Wolke näherte sich von Norden her, schwärzer und bedrohlicher als ein Gewitter, tückischer als Frost und Sturm. Schon vernahm man gellende Schreie, dreieckig gebogene Flughäute stießen gegeneinander, verschmolzen im eiligen Gleitflug zu einem einzigen, riesigen Tuch, das den Himmel schwarz überspannte, gierige Echsenhälse reckten sich, kleine Feuerflämmchen schossen aus den Mäulern. Sie waren gewachsen, die jungen Drachen, sie hatten dazugelernt und fühlten sich stark.
Es war zu spät, sich vor der gewaltigen Übermacht zu verbergen, nicht einmal der Sturm hielt das Drachengeschwader auf, er bewegte sie nur sacht hin und her, denn die Echsen wussten inzwischen ihre prächtigen Flughäute zu gebrauchen.
Alina verfluchte ihre steifen Finger, die es ihr schwer machten, den Bogen vom Rücken zu nehmen und einen Pfeil aus dem Köcher zu ziehen. Wie viele der Ungeheuer würde sie töten können, bevor die Bestien auf sie und Niam herabstürzten? Sie hatte zu wenige Pfeile und würde nicht rasch genug sein – der Kampf war ungleich, doch sie würde ihn aufnehmen, schon um Niam zu verteidigen, ihre treue Stute, die nicht unsterblich war wie eine Fee und die der Feuerstrahl der Drachen in ein Häufchen Asche verwandeln würde.
Ruhig erwartete sie die düstere Flut der Feinde, zielte genau und sah den weiß gefiederten Pfeil wie einen Blitz in die schwarze Drachenhaut tauchen. Der erste stürzte vom Himmel, der zweite, der dritte – Unruhe brach unter den geflügelten Echsen aus, der glühende Hauch ihrer Mäuler fuhr hinab ins Tal und schmolz dunkle Löcher in den tiefen Schnee. Doch sie hielten sich zusammen, dachten nicht an Flucht, sondern näherten sich mit wütenden Schreien, senkten sich tiefer herab, die Krallen vorgereckt, um nach der Schützin zu greifen.
»Lebe wohl, meine schöne Niam«, flüsterte Alina und legte den nächsten Pfeil an die Sehne. »Ich wünschte, ich könnte dich retten.«
Da bäumte sich die Stute auf unter ihr, schlug wild mit den Hufen und stieß schrille Angstrufe aus, so dass Alina Mühe hatte, im Sattel zu bleiben, und der Pfeil sein Ziel verfehlte. Schnee sprühte auf wie eine glitzernde Wolke, Pferd und Reiterin brachen in den Boden ein, und der Fels verschluckte sie. Eisbrocken und Massen von Schnee stürzten gemeinsam mit ihnen in die Tiefe, rieselten und prasselten auf sie herab, häuften sich über sie, und die dunkle, kalte Last nahm ihnen den Atem.
Es war still, Alina hörte nur noch das aufgeregte Schlagen ihres Herzens, vor ihren Augen war Dunkelheit, in der winzige Schneekristalle aufblitzten, zart und von filigraner Schönheit, wie
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