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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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zugleich voller Sorge, denn sie war sich sicher, dass es nur Fandur sein konnte, der ihren Lehrer zum Narren hielt.
    Er war es, die weiße Feder verriet ihn. Furchtlos hockte er vor dem zornbebenden Mann, krächzte ihn an, schlug sogar mit den Flügeln, und als Ogyn ihn mit einer Handbewegung verscheuchen wollte, hackte er mit scharfem Schnabel. Er traf gut – mit einem Schrei zog Ogyn die Hand zurück, schlenkerte sie durch die Luft und steckte dann den blutenden Zeigefinger in den Mund.
    »Daff diff die Hexe holt, die unten im Gehölz hauft!«, fluchte er, an seinem Finger saugend. »In ihrem Topf soll sie dich braten und mit deinen Federn ihre Kiffen stopfen.«
    »Krah!«
    »Da haft du dein Krah!«
    Der Rabe wich dem Folianten geschickt aus, ließ es jedoch nicht zu weiteren Feindseligkeiten kommen, sondern flatterte laut krächzend davon. Es klang wie ein Hohngelächter, zumal das nach ihm geworfene Buch unten im Hof auf das Pflaster schlug, eine Magd kreischte auf, die Hunde kläfften.
    Ogyn drückte das Fenster wieder zu, verriegelte es und unterzog den verletzten Finger einer kurzen, trübsinnigen Betrachtung, bevor er mit seinem Vortrag fortfuhr.
    Alina war auf ihren Sitz zurückgesunken, vor ihren Augen tanzten die bunten Farben und Formen der Fensterscheiben, und ihr Herz schlug wilde Trommelwirbel. Wie mutig er war! Sogar in seiner Rabengestalt suchte er sie auf. Er hatte sich nicht fortjagen lassen und hatte Ogyn sogar angegriffen.
    Ogyns Stimme schien jetzt wie ausgelöscht, sie nahm zwar wahr, dass er den Mund auf und zuklappte, doch kein einziges Wort drang an ihr Ohr. Die verwirrenden Empfindungen dieser Nacht stürmten so machtvoll auf sie ein, dass jede andere Wahrnehmung zurückgedrängt wurde. Sie war in tiefen Schlaf gesunken, nachdem Fandur sie verlassen hatte, doch als Macha sie am Morgen weckte, glaubte sie noch das Brennen im Nacken zu spüren, das sein Kuss hinterlassen hatte. Es war ein süßer Schmerz, den sie auch jetzt wieder fühlte, da ihr Rabenkrieger so unvermittelt erschienen war.
    Wie zärtlich waren seine Finger gewesen, so als strichen weiche Federn über sie, kitzelnd, kosend, liebevoll. Was für seltsame Worte hatte er gemurmelt. Von Flammen und leuchtender Glut, die von den Flügeln des Raben gedeckt wurde. Von Liebe, Schicksal und von einer Herrin, der er Tribut zahlte. Hatte er da sie, Alina, gemeint?
    Ja, er zahlte ihr Tribut, oder etwa nicht? Er diente ihr und wollte all ihre Forderungen erfüllen. Soweit er es vermochte. Dafür hatte er sich drei Dinge zum Lohn ausgebeten. Ihr rotgoldenes Haar, ihre weiße Haut und ihre farbigen Augen …
    Der Strom der Empfindungen riss ab, denn seine Forderungen waren ihr immer noch unheimlich. Sie hatte sich darauf eingelassen, und doch war dieses Ansinnen seltsam. Weshalb er wohl gerade diese Dinge von ihr begehrte? Plötzlich drang wieder Ogyns eintönige Stimme an ihr Ohr.
    »Wenn das Eisen rein und fest ist, kann man es mit anderen Metallen mischen und harte Schwerter daraus schmieden …«
    Aline seufzte. Fandur hatte Recht – ihr Lehrer erzählte ihr Blödsinn. Was nutzten ihrem Vater und seinen Rittern wohl diese harten Schwerter gegen einen Feind, der sie mit einem einzigen Atemhauch zum Schmelzen brachte?
    Aber vielleicht war es ja noch gar nicht zu spät. Sie würde mit ihrem Vater sprechen, die Wahrheit von ihm fordern und dann würde sie auch erfahren, wer ihm damals zur Seite gestanden hatte. Ganz gleich, wer es gewesen war – ihr Vater musste sich seiner Hilfe wieder versichern, sonst waren sie alle verloren.
    Ogyn beendete seinen Vortrag erst um die Mittagszeit, kündigte an, am kommenden Tag einige Fragen zu dem heute Gehörten zu stellen, und empfahl ihr, das neue Wissen am Nachmittag gut zu überdenken. Sie habe ja Zeit dazu – das Sticken eines Teppichs sei eine Arbeit, die nur die Hände, nicht aber den Kopf beanspruche.
    Die bunten Farben der Glasfenster schienen zu glühen, und Alina hatte es eilig, die dumpfe Studierkammer zu verlassen. Unten im Burghof hatten die Mägde Wäscheleinen gespannt, Hemden und Gewänder der Königin und ihrer Frauen wehten wie farbige Standarten im Sommerwind, und zwei kleine Pagen liefen mit Stöcken herum, um Hunde, Schweine oder freche Raben von der frischen Wäsche fernzuhalten. Alina musste einige der nassen Gewänder hochheben und darunter durchschlüpfen, um zum Tor zu gelangen. Machas Bruder Fergus tat dort wieder Dienst, er schmunzelte, als er sie sah, dann jedoch trat

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