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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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entgegenwarfen und bereit waren, für König Angus ihr Leben zu geben. Das würde wohl das Los der meisten dieser ahnungslosen jungen Burschen sein.
    Fergus schien ihr Schweigen richtig zu deuten, denn er seufzte tief und ging langsam eine Runde um die Zinnen, ohne ein Wort zu sagen. Dann blieb er stehen, rieb sich kummervoll die Nase und blickte sie aus kleinen, hellen Augen an.
    »Was für eine Zeit ist da angebrochen, junge Herrin! Die Zeit des Unrechts und des Jammers. Die Zeit der Schmach. Vielleicht auch die Zeit des Endes.«
    Alina blinzelte in die Sonne, die jetzt schon weit nach Westen gewandert war und wie eine runde, goldfarbige Scheibe hinter den Hügeln stand.
    »Noch gibt es Hoffnung, Fergus«, sagte sie leise, obgleich sie selbst nicht so recht wusste, wie sie diesen Satz begründen sollte. Auf wen sollte sie wohl hoffen? Auf den verschwundenen Fandur? Auf die schönen Bilder der Vergangenheit, die in ihren Träumen so lebendig waren? Darauf, dass ihr Vater wieder zu Verstand kam?
    »Die Hoffnung endet mit dem Tod«, gab Fergus dumpf zurück. »Vor Wochen haben wir die Gefallenen zu Grabe getragen. Drüben in den Hügeln liegen sie zu kühle Ruhe gebettet, und für jeden von ihnen wurde ein Stein aufgestellt, damit wir uns ihrer erinnern. Wie dunkle Geister ragen die Steine in den Nächten empor, und wenn der Mond sie bescheint, glaubt man fast, die Toten stünden dort beieinander, um Klage zu führen und die Lebenden zu warnen.«
    »Aber Fergus«, meinte Alina lächelnd. »Ich wusste gar nicht, dass du solch ein Träumer bist. Steine sind toter Fels und sonst nichts. Keine Geister und schon gar keine toten Menschen!«
    »Ihr habt Recht, Herrin. Ich alter Kerl sollte mich zusammennehmen, anstatt Euch mit meinen dummen Träumen zu belästigen. Aber es gibt so viele Dinge, die mich traurig und auch zornig machen. Und nicht nur mich allein. Vor allem die üblen Reden, die Nessa gemeinsam mit ihrem Bruder Nemed über Euch in die Welt setzt …«
    Er biss sich auf die Lippen und drehte sich rasch in eine andere Richtung, denn jetzt war es doch heraus, womit er sie eigentlich hatte verschonen wollen.
    »Erzähle! Ich höre gern dumme Geschichten.«
    »Lasst es gut sein, junge Herrin. Es ist Gewäsch und nicht wert, dass man davon spricht.«
    »Nun erst recht!«
    Die Sonnenscheibe war am Ende ihrer Bahn zu rotem Gold geworden, nun setzte sie die Hügel in Brand, bevor sie ganz und gar in der Nacht versank. Fergus starrte auf die rotglühenden Wälder und machte ein Gesicht, als hätte er sich gern selbst geohrfeigt.
    »Boshafte Verleumdungen sind es, junge Herrin. Weil niemand begreifen konnte, wie es Euch gelang, bei geschlossenem Tor die Burg zu verlassen. Jemand habe euch geholfen, wird geschwätzt. Kräftig und gewandt muss er gewesen sein, stark genug, Euch an einem Seil die Mauer hinabzulassen und dann selbst hinterherzusteigen …«
    »Das ist ja lachhaft …«
    »Das ist es. Einer der Ritter des Königs soll es gewesen sein – doch niemand kennt ihn. Nemed, dieser Lügner, will ihn vertrieben haben, als er Euch an der Quelle fand. Doch die Knechte, die Nemed begleiteten, haben mir versichert, dass Ihr völlig allein dort gelegen habt und weit und breit kein Ritter zu sehen war.«
    »Das ist wahr, Fergus. Ich war allein. Nur ein paar Raben waren in der Nähe …«
    Er hatte sie aufmerksam gemustert, doch die einfallende Dämmerung verhinderte, dass er ihr Gesicht genau erkennen konnte. Alina wagte nicht, ihm die Wahrheit zu gestehen, denn sie war sich sicher, dass er ihr nicht glauben würde.
    »Raben!«, wiederholte er düster. »Die verdammten Galgenvögel schwirren zu Hunderten um die Burg. Was auch immer das zu bedeuten hat – etwas Gutes ist es nicht.«
    Er sah eine Weile schweigend hinab in den Burghof, wo jetzt einige Fackeln aufleuchteten, denn die jungen Kämpfer hatten ihr Nachtmahl erhalten und suchten sich einen Platz zum Schlafen. Noch saßen einige von ihnen beieinander, schwatzten und prahlten mit dem neu gelernten Können, doch die meisten waren todmüde von der ungewohnt harten Ausbildung und hatten sich schon aufs Ohr gelegt. Gleich würde auch Fergus seinen Posten verlassen, denn in den dunklen Nachtstunden genügten die Torwächter, kein Feind dachte daran, eine derart befestigte Burg bei Nacht anzugreifen.
    Plötzlich geschah etwas Seltsames. Die Raben, die auf den Dächern und auf dem Torgebäude gesessen hatten, schwärmten aus wie kleine schwarze Schatten, und man hörte ihre

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