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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Süden schimmerte ein matter Schein durch die Wolken hindurch, wie ein Licht, vor das man ein Tuch gehängt hatte.
    »Es riecht wie Rauch«, sagte Alina leise.
    Der Weg senkte sich in die Nebelfelder hinein, und sie spürten den feuchten Hauch auf ihren Gesichtern. Wäre Niam nicht gewesen, die mit sicherem Tritt voranging, sie hätten im dichten Nebel Mühe gehabt, nicht in die Äcker oder Wiesen zu geraten. Dann, als sie einen Hügel erstiegen hatten, zeigte sich die Burg in der Ferne, massig und dunkelgrau hoben sich ihre Umrisse vor dem Himmel ab, und aus dem Inneren der Mauern stieg dichter schwarzer Rauch auf, der weder von der Küche noch von dem Backofen stammen konnte.
    »Es brennt! Feuer ist in der Burg!«, rief Baldin. »Es wird gekämpft – und ich bin nicht dabei!«
    Schrecken erfasste sie alle. Ogyn zügelte sein Reittier, denn anders als Baldin war er kein Kämpfer, viel eher war sein erster Gedanke, sich irgendwo in einem der Dörfchen zu verstecken.
    »Ich sehe keinen Kampf«, meinte Alina unsicher. »Rund um die Burg ist niemand zu entdecken.«
    »Vielleicht sind die Wolfskrieger bereits eingedrungen und haben alle Menschen in der Burg erschlagen«, murmelte Ogyn düster.
    »Wir werden es herausfinden«, entschied Alina.
    Sie eilten mit verdoppelter Geschwindigkeit voran, und Ogyn musste folgen, denn er fürchtete sich davor, ohne Hilfe von der Stute zu steigen. Nebel umfing sie, wehte ihnen den scharfen Rauchgeruch entgegen. Als der Weg wieder hügelan führte, tauchte wieder die Burg vor ihnen auf, nah war sie jetzt, dunkel und trutzig erschienen die Mauern, und man sah die Raben in dichten Scharen um Turm und Wohngebäude kreisen. Immer noch erhob sich Rauch aus dem Inneren der Festung, doch die schwarze Rauchsäule zerteilte sich jetzt in mehrere dunkle Fäden, deren Enden sich aufhellten und mit den tief hängenden Wolken vermischten.
    »Das Tor ist geschlossen.«
    »Schaut dort drüben!«
    Eine Gruppe reiterloser Pferde graste auf einem Hügel östlich der Burg, sie trugen Sättel und schüttelten immer wieder unwillig die Köpfe, denn das Zaumzeug und die herabhängenden Zügel störten sie.
    »Das sind unsere Tiere«, sagte Baldin beklommen. »Aber wo sind die Reiter?«
    Beim Näherkommen erkannten sie dunkle Flecken auf den Wiesen, die die Burg umgaben, dazwischen lagen Stangen, Lanzen und hölzerne Schwerter, wie achtlos hingeworfen. Auch einige bunte Schilde waren darunter, sogar ein Stiefel aus gutem Leder. Hier hatten am Morgen noch die neuen Kämpfer und Knappen ihre Übungen abgehalten – wo waren sie geblieben?
    »Seht ihr das?«, sagte Baldin und deutete mit dem Finger auf einen breiten schwarzen Streifen, der sich quer über die Wiesen zog.
    Alina hatte ihn längst entdeckt, jetzt strengte auch Ogyn seine Augen an, und sein Gesicht wurde aschfahl.
    »Es schaut aus, als habe jemand ein Feuer gelegt«, staunte Baldin. »Aber wie sollte frisches Gras wohl brennen?«
    Er erhielt keine Antwort. Langsam näherten sie sich der Brücke, die unbeschädigt war, überquerten sie und standen vor dem Tor.
    »Öffnet uns!«, rief Alina.
    In der engen Fensternische eines der beiden Tortürme erschien ein graues Gesicht. Es war ein junger Knecht, ein kräftiger fröhlicher Bursche, der gern dem Wein zusprach. Jetzt erschienen seine Züge fahl, und die blanke Angst stand in seinen Augen.
    »Das Tor bleibt geschlossen«, rief er ihnen zu. »Niemand darf die Burg verlassen.«
    Alina und ihre Begleiter wechselten verblüffte Blicke. Baldin hielt sich die Hände wie einen Trichter an den Mund, um besser gehört zu werden.
    »Wir wollen die Burg nicht verlassen, wir wollen hinein!«
    »Das Tor bleibt geschlossen«, beharrte der Wächter und wollte sich zurückziehen.
    »Wer hat das befohlen?«
    »Der König hat es befohlen. «
    Ratlos sah Baldin seine junge Herrin an. Es war nicht zu begreifen, seit wann ließ man die eigenen Leute draußen vor dem Tor stehen?
    »Ich bin die Tochter des Königs – geh zu meinem Vater und sage ihm, dass ich Einlass in die Burg verlange!«, rief Alina zornig nach oben.
    Das Gesicht verschwand aus der Fensternische, ob der Knecht ihren Befehl ausführen wollte, war nicht zu erkennen, denn er hatte weder genickt noch sonst ein Zeichen gegeben. Schweigend warteten sie, starrten auf die gefleckten Wiesen, über die sich der Brandstreifen hinzog, als habe ein riesiges Wesen mit schwarzer Zunge darüber geleckt. Langsam stiegen die Nebel aus den Senken auf, eroberten die

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