Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
Vom Netzwerk:
seine Miene frei von Angst. Was war das für eine Zeit, da nur Graubärte und Kinder Mut bewahrten, die jungen Männer aber davonliefen?
    Der Wohnraum des Königs war von vielen Kerzen erhellt, als bereite man dort eine Feier vor. Blitzend warfen die Silbergefäße in Nischen und Regalen den Lichtschein zurück, und das Funkeln einer kleinen, goldenen Schale auf dem Tisch traf ihre Augen wie ein gleißender Stern. Auch die Wandbehänge hatten im Kerzenlicht ihre Farbkraft zurückgewonnen, die blauen und roten Waffenröcke der Ritter darauf leuchteten, bunt wehten die Standarten, stolz bogen die braunen Pferde ihre Hälse, und man sah, wie kunstvoll ihre Mähnen geflochten waren.
    König Angus hatte seinen Kettenpanzer angelegt, der ihm bis zu den Knien hinabreichte, darüber trug er den prächtigen, goldfarbigen Waffenrock mit dem königlichen Wappen, dem schwarzen Eber. Die Schließe seines Gürtels war aus purem Gold gefertigt und stellte einen Eberkopf mit drohenden, aufwärts gebogenen Hauern dar. Am Gürtel war das Schwertgehänge befestigt, der goldene Schwertknauf ragte aus der mit Edelsteinen geschmückten Scheide.
    König Angus wirkte groß und eindrucksvoll in seiner Rüstung, nichts erinnerte an die dunklen Stunden der Verzweiflung, in denen er sich vor allen Menschen in der Burg verborgen hatte. Auch der Zorn schien ihn nicht mehr zu beherrschen, seine Stimme klang ruhig und freundlich, als er den Rittern dankte und sie bat, ihn mit seiner Tochter allein zu lassen.
    Doch kaum hatte die Pforte sich hinter ihnen geschlossen, da fiel seine stolze Haltung in sich zusammen, und ein Ausdruck von Rastlosigkeit trat auf seine Züge.
    »Wo bist du gewesen? Ich habe überall nach dir suchen lassen«, fuhr er Alina an.
    Was auch immer er für sie beschlossen hatte – Alina war nicht bereit, aus ihrem Herzen eine Mördergrube zu machen.
    »Du hättest nur in den Turm schauen müssen, dort war ich einige Wochen lang zu finden«, gab sie spitz zurück.
    Sein Blick irrte im Raum umher, und er schwieg einen Augenblick lang. Nie hatte sich die Zerrissenheit, die ihn beherrschte, so deutlich in seinem Gesicht widergespiegelt. Zorn und Angst, Zuneigung und Abscheu, Scham und Trotz wechselten miteinander, und es war nicht abzusehen, für welches dieser Gefühle er sich entscheiden würde.
    »Ich habe Unrecht gehandelt, Alina«, stieß er endlich hervor. »Ich hätte dich anhören müssen – doch ich war feige, denn ich fürchtete mich, Dinge zu hören, die nicht wahr sein durften. Vergib mir …«
    Sie war überrascht von diesem offenherzigen Geständnis. Noch vor einigen Wochen wäre sie ihm jetzt um den Hals gefallen, hätte ihm weinend für seinen Großmut gedankt, sich an ihn geschmiegt und seine warme, väterliche Zuneigung gesucht. Jetzt war es anders. Zu viel hatte er ihr angetan, zu rücksichtslos hatte sein Starrsinn die Menschen ins Unglück gestürzt. Sie konnte ihm nicht so einfach vergeben.
    Er hatte sie erwartungsvoll angestarrt, doch als sie auf seine Bitte hin nichts antwortete, wandte er sich ab und ging einige Schritte im Raum umher. Sein Kettenpanzer klirrte leise, wenn die Schwertscheide dagegenstieß, an seinen Stiefeln blitzten die goldenen Sporen, die nur der König tragen durfte.
    »Sag mir, wo du gewesen bist«, bat er. »Warst du an der Quelle, dort, wo die Mauerreste stehen?«
    »Nein.«
    Seltsamerweise schien er enttäuscht, denn er blieb stehen und starrte mit düsterer Miene in den Schein eines dreiarmigen Kerzenleuchters.
    »Wo also dann?«
    »Weit draußen im Wald bei einer Hexe. Es war Ogyns Gedanke, er glaubte, sie könne uns die Zukunft sagen und uns guten Rat erteilen.«
    Seine Augen mussten geblendet sein, so lange hatte er in die Flammen geblickt. Als er sie jetzt ansah, blinzelte er.
    »Sie tat es nicht?«
    »Ich habe selten solch dummes Geschwätz gehört«, platzte Alina heraus. »Sie ist nichts als ein boshaftes Weib, das sich hinterhältige Spielchen ausdenkt, um die Menschen in die Irre zu führen.«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus, und sein Rücken schien ihr plötzlich gebeugt, als sei die Last, die auf seinen Schultern ruhte, zu schwer für ihn.
    »Hör mir zu, Alina, denn es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Am Vormittag kehrten meine Späher in die Burg zurück, und sie brachten schlimme Botschaft. Im Morgengrauen hat Branno, Aidans Sohn, mit dem Heer der Wolfskrieger den wandernden Fluss überquert, und sie haben meine beiden Burgen eingenommen. Nun ziehen sie plündernd

Weitere Kostenlose Bücher