Schattengefährte
und mordend durch mein Land, versengen die Erde, lassen Häuser und Scheunen in Flammen aufgehen und verbrennen Menschen, Vieh und Getreide.«
Die Nachricht war schlimm, und doch hatte er ihr Entscheidendes verschwiegen.
»Die Wolfskrieger tun das?«, unterbrach sie ihn. »Sind es nicht viel eher ihre Verbündeten?«
Er nickte und schloss für einen Moment die Augen, denn es fiel ihm schwer, von seiner unglückseligen Lüge Abschied zu nehmen.
»Es sind die Drachen«, sagte er tonlos. »Ich habe damals geglaubt, wir hätten die gesamte Brut dieser Unwesen vernichtet, alle Dracheneier im weiten Umkreis ließ ich aufspüren und zerschlagen. Doch jene, die tief unter dem Geröll des steinernen Meeres verborgen lagen, entgingen uns und blieben unversehrt. Zwanzig Jahre haben sie dort überdauert, bis die Sonne genügend Kraft hatte, um sie auszubrüten.«
»Ich hatte Euch gewarnt!«
Auch wenn er sich noch so erniedrigt fühlte, sie konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen. Gar zu viel hatte er ihr angetan, und er wusste es.
»Du hattest Recht, Alina, und ich war ein Narr«, gestand er. »Doch höre weiter. Kaum hatten mir die Späher die böse Kunde überbracht, da hörte ich Geschrei in der Burg, und der Himmel schien sich über uns zu verdunkeln. Es waren nur drei der geflügelten Untiere, sie schwebten wie riesige schwarze Fledermäuse heran, reckten die langen Hälse und dann …«
Er sprach nicht weiter, denn die Stimme versagte ihm. Wie konnte er den Schrecken schildern, der Mensch und Tier ergriff, als die Feuerzungen über die Burg und die Umgebung rasten?
»Die Kämpfer, die vor der Burg ihre Übungen abhielten, warfen ihre Waffen von sich und rannten in wilder Flucht davon. Viele stürzten von den scheuenden Pferden, andere versuchten, sich in die Burg zu retten, doch wen der heiße Atem traf, der wurde zu Asche. Auch in der Burg fand der Feuerhauch gute Nahrung und setzte Dächer und Hütten in Flammen.«
Alina schwieg. Sie hatte längst gewusst, wer diesen Brand gelegt hatte, und doch war es grauenvoll, sich die Verzweiflung der Menschen vorzustellen. Jahrelang hatte man ihnen erzählt, es gäbe solche Wesen nicht, und dann waren sie plötzlich über ihnen, schwarz geflügelte Bestien, deren Atem tödlich war.
»Ich habe das Tor schließen lassen, damit nicht noch mehr Menschen in die Dörfer hinausrennen, denn dort sind sie unweigerlich verloren, während wir hier jede Hand zur Verteidigung der Burg benötigen.«
Es tat ihr weh, aber sie musste diese Frage stellen. Lange genug hatte er sich selbst etwas vorgemacht, in dieser Stunde größter Not sollte wenigstens Ehrlichkeit zwischen ihnen sein.
»Glaubst du wirklich, die Burg gegen die Wolfskrieger halten zu können, wenn sie mit den Drachen im Bunde sind?«
Er stand jetzt dicht vor ihr, Verzweiflung war in seinen Augen, zugleich aber auch ein seltsamer Ausdruck, eine irrwitzige Hoffnung, die ihn selbst zu ängstigen schien.
»Branus mag sich mit den Drachen verbündet haben«, sagte er langsam und mit leiser Stimme. »Doch die feurigen Wesen sind noch jung, und wie mir scheint, gehorchen sie ihm nicht. Es kann Branus nicht gefallen, wenn sie Dörfer und Felder verbrennen, denn was ist mein Land ihm wert, wenn Bauern, Vieh und Felder vernichtet sind? Die Drachen wollen sich erproben und ihr Mütchen kühlen, sie sind wie ungezogene Kinder, die man leicht einschüchtern könnte. Wenn einige von ihnen sterben, werden die anderen Furcht bekommen, und Branus steht ohne seine Helfer da.«
Wohin verrannte er sich da schon wieder? Es klang fast vernünftig, und doch war es nicht durchführbar, denn wer sollte wohl einen fliegenden Drachen töten und die übrigen einschüchtern? Kein Mensch vermochte das.
»Du, Alina, bist die Einzige, die uns retten kann!«
Sie fuhr zusammen, denn er hatte die Hand schwer auf ihre Schulter gelegt.
»Ich?«
Er drehte sich um, nahm einen Schlüssel vom Tisch und steckte ihn hastig in das Schloss des schwarzen Schreins. Als der Schlüssel nicht gleich schließen wollte, rüttelte er daran, um ein Haar hätte er den Hals des Schlüssels abgebrochen. Endlich zog er beide Türen auf und winkte Alina herbei.
»Sieh hier«, sagte er mit vor Erregung zitternder Stimme. »Damit wirst du die Drachen vom Himmel holen.«
Im Schrein lag ein Bogen, aus hellem, glattem Holz gefertigt, nicht allzu groß, doch mit einer goldfarbigen Sehne bespannt. Daneben ein Köcher aus feinem hellgrünem Leder, goldgerändert und mit
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