Schattengeschichten
Schritt zurück.
„Das ist die Wahrheit, Hanni. Ich bin Hagens Doppelgänger. So was gibt es. Ich habe es auch nicht geglaubt, als du mit ihm ins Auto gestiegen bist. Aber ich habe es fotografiert und nachgeprüft.“
Schnell war sie wieder an der Hose.
„Jetzt lass den Scheiß und fick mich. Wir haben lange genug geredet. Um halb vier muss ich bei den Jugendlichen sein.“
„Du verstehst nicht. Ich bin Kotter.“
Sie hielt inne. Ihr Augenaufschlag war so, dass ich sie auf der Stelle gefickt hätte, wenn ich der gewesen wäre, für den ich mich zunächst ausgegeben hatte.
„Okay“, sagte sie, „Wenn du Kotter bist. Wo ist Stefan?“
„Tot“, antwortete ich und fügte hinzu: „Es war Notwehr. Er wollte mich erschießen.“
„Du bist echt krank, Süßer. Du solltest nicht so viel koksen.“
„Gib mir die Waffe“, befahl ich. Dass der Revolver in ihrer Hand lag, machte mich nervös. Mit ihm hatte ich vor knapp vier Stunden meinen ersten Mord verübt.
Nein, es war Notwehr gewesen, verdammt noch mal.
„Und wenn nicht?“ fragte sie.
„Dann hole ich ihn mir“, sagte ich und packte ihre Hand. Und es musste so kommen: Ein Schuss löste sich. Er traf sie in den Oberschenkel. Sie jaulte auf und fiel zu Boden. Nackt und blutig.
„Oh Gott“, rief ich, „Das wollte ich nicht, aber...“
„Du Arschloch!“
Sie richtete die Waffe auf mich. Ich trat auf ihr verletztes Fleisch. Sie verfehlte ihr Ziel um Haaresbreite. Die Kugel sauste an meinem Kopf vorbei. Ich stürzte los und entriss ihr den Revolver. Richtete ihn auf sie.
„Ruf einen Krankenwagen, du Idiot. Und mein Mann wird noch heute davon erfahren, dass du mich bestiegen hast.“
„Ich bin Franz Kotter“, wiederholte ich, „Ich war nie Hagen.“
Sie lachte in ihrem Schmerz. Es klang weinerlich und wenig arrogant. Ich hatte die Reiche aus ihr geschossen.
„Du sagst deinem Mann gar nichts“, sagte ich und hielt ihr die Waffe an die Schläfe, „Mein Gesicht kennt er nur als Detektiv. Und wenn du jetzt brav bist, dann wird er nie heraus finden, dass du ihn betrogen hast. Wenn er die Fotos sieht, die ich geschossen habe, sind wir beide am Arsch. Also, machen wir einen Deal?“
Sie nickte und schluchzte
„Dann rufe ich mal den Krankenwagen.“
Ich griff zum Telefonhörer. Aber was sollte ich den Sanitätern erzählen? Die Waffe war auf meinem Namen zugelassen. Verdammt. Mir würde die Lizenz entzogen werden. Die Polizei würde mich verhören, sie würden die Leiche finden. Was für ein jämmerlicher Anfänger war ich eigentlich?
Die werden mich nicht kriegen.
Ich wand mich der Verletzten zu, hielt den Revolver erneut an ihre Schläfe und drückte ab ohne darüber nachzudenken. Sie sagte kein Ton mehr.
VIII
Ich ging ins Badezimmer, entkleidete mich, wusch mich und zog mir meinen Anzug wieder über. Den Revolver wieder im Halfter entzündete ich Gardinen, Papiere und anderes Brennbares, was ich fand. Die Feuerwehr würde kommen und es würde Tage dauern, bis sie ihre Leiche identifiziert hatten. Die Schlüssel warf ich ins offene Feuer, das, als ich die Wohnung verließ, schon die Leiche ergriffen hatte. Ich lief die Stockwerke nach unten, stolperte aus dem Haus und hörte schon die Rufe nach Feuer. Ich betete, dass mich niemand gesehen hatte.
Und im nächsten Augenblick wurden mir meine Fehler bewusst. Erstens, wenn Hanni identifiziert worden war, dann würden die Ermittler herausfinden, wer in der Wohnung, die verbrannte, hauste. Ein kurzer Blick auf ein Bild des Künstlers, vermutlich noch vor Eckarts Augen, und ich hätte ein Problem.
Mist.
Warum hatte ich mich auf den Fall eingelassen? Wie waren diese seltsamen, schicksalhaften Verkettungen möglich, in deren Folge ich zwei Menschen tötete und nicht die geringste Reue spürte? War ich zu einer von jenen Kreaturen geworden, die ich verabscheute?
Ich wusste schon auf der Landstraße, dass es kein Zurück mehr gab. Ein Fehler zog den nächsten nach sich. Also war meine Aufgabe, den letzten Fehler zu begehen. Um danach eine neue Ordnung herstellen zu können.
Bei mir zuhause rief ich Eckart an.
„Haben sie was heraus gefunden?“ fragte er, „Meine Frau ist jedenfalls noch unterwegs.“
Ich ließ eine dramatische Pause entstehen. Eher, um mir was einfallen zu lassen, als um sein Interesse zu wecken, das zweifellos vorhanden war.
„Ich habe allerdings was heraus gefunden“, antwortete ich, „Aber es wird ihnen nicht gefallen. Wir müssen uns treffen.“
„Ich hab´s
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