Schattengeschichten
abdrücken wollte.
Ich kam ihm zuvor und schoss.
Ungelenk stürzte Hagen nach hinten. Sein Schuss ging ins Leere. Er keuchte und hielt sich mit der freien Hand die blutige Stelle an seinem Bauch.
„Du Arschloch“, flüsterte er.
Das wäre nicht passiert, wenn sie nicht so stur gewesen wären, wollte ich sagen, aber er hob den Revolver erneut an. Bevor er schießen konnte, traf eine zweite Kugel seinen Kopf. Gehirnmasse und Blut spritzte auf den sandigen Boden.
Er hauchte sein Leben aus und ich steckte meinen Revolver wieder in den Halfter. Für einen Krankenwagen war es wohl zu spät. Mist.
Jetzt habe ich tatsächlich meinen Doppelgänger ermordet, dachte ich. War das ein schlechtes Omen? Ich fluchte und lachte leise. Eine Lösung. Okay. Ich durchsuchte seine Taschen, fand seine Schlüssel, nahm sie an mich.
In seinem Kofferraum fand ich eine Decke, die ich auf den Leichnam legte, um beim Tragen nicht mit Blut besudelt zu werden. Auf einer Lichtung setzte ich ihn ab. Er war schwer und ich schwitzte erbärmlich. In meinem Handschuhfach fand ich Feuerzeug und Benzin zum Nachfüllen. Ich zog die Decke zurück und besprenkelte Hagens Körper, bis seine Kleidung mit dunklen, feuchten Flecken gesäumt war. Dann zündete ich ihn an. Scheiß auf den Rauch, dachte ich. Als seine Leiche einem schwarzen Stück Kohle glich, zertrümmerte ich ihm mit einem Stein die Zähne und seine Finger. Ich stieg in meinen Wagen und fuhr zurück auf die Landstraße. Natürlich erst, nachdem ich Hagens Wagen in einem See versenkt und meine Spuren verwischt hatte. Man kennt das ja.
Würde jemand die Leiche des Stefan Hagen finden, brauchte es ein paar Tage, bis er identifiziert worden war und dann würden viele Gerüchte kursieren, warum er getötet wurde. Bei seinem Benehmen hatte er bestimmt viele Feinde, diesen Holger zum Beispiel. Also war ich, der Privatdetektiv, aus dem Visier der Fahnder. Warum sollte ich auch meinen Doppelgänger ermorden? Verdammter Mist.
Ich schlug mehrmals auf mein Lenkrad ein. Ich schrie. Ich hatte noch nie einen Menschen umgebracht und nun erschien es mir unwirklich. Meinen Doppelgänger ermordet zu haben, war, als hätte ich gar nicht gemordet. Oder?
Außerdem war es kein Mord gewesen sondern Totschlag. Es war Notwehr. Mehr nicht. Hagen hätte mich getötet ohne mit der Wimper zu zucken. Also, was machte ich mir Gedanken? Jetzt musste ich nur noch den Fall so klären, dass ich das Geld bekam und niemand Verdacht schöpfte. Meinem Auftraggeber konnte der Tod des Liebhabers nur Recht sein. Ich hatte einen Plan.
VI
Ich fuhr zu Hagens Wohnung zurück, stellte meinen Wagen in sicherer Entfernung ab und schloss die Haustüren auf. Seine Wohnung beherbergte drei Zimmer, eine große Küche und ein Badezimmer. Jedes Möbelstück blitzte und glänzte, als würde es regelmäßig geputzt werden.
War das Hannis Werk?
Wohl eher nicht, eine Dame der Haute Couture würde sich zu solchen Tätigkeiten nicht herab lassen. Die Wände waren tapeziert mit gerahmten Gemälden. Nicht alle Maler waren mir bekannt, aber Munch, Picasso, Kandinsky, Van Gogh, selbst Dali und Escher mochte ich benennen. Dieser Künstler liebte viele Stile.
Hatte geliebt, dachte ich, denn jetzt ist er tot.
Seine Sitzgelegenheiten waren modern geformt, sie wirkten wie aus einem Raumschiff, das kurz die Erde besucht hatte. Ich setzte mich in einen himmelblauen Sessel, der keine Rückenlehne hatte. Die Lehnen waren zu hoch, um seine Arme darauf zu legen, und formten das Möbelstück zu einem U. Sehr unbequem.
Was wollte ich hier? Ach ja. Ich stand wieder auf und ging in sein Schlafzimmer. Wie ich dachte, stand dort ein großer Schrank, nicht aus Holz sondern Eisen, und ich öffnete ihn. Bunte Kleidung, eine, die ich niemals getragen hätte, strahlte mir entgegen. Ich suchte mir einen gelben Batikpullover aus, zog eine rote Lederhose über und legte meinen Anzug zusammen gelegt unter das Bett. Mein Halfter verschwand unter einer Schlangenlederjacke, die zweifellos echt war. Hagen hatte mit einem Bild mehr verdient, als ich in einem ganzen Jahr.
Kurz kam mir der Gedanke, mich an dem Geld meines Doppelgängers zu bereichern, verwarf ihn aber wieder, weil ich dann mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen würde, als mir momentan gut tat.
Ich betrachtete mich in dem Decken hohen Spiegel, der im Flur hing. Ja, dachte ich, das ist mein Doppelgänger. Ich versuchte ein schmieriges Grinsen, überhebliche Gesten. Es funktionierte. Dann klingelte das
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