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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Rouven
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zu machen. Antonio war ein Frauenheld, der durch einen blöden Zufall an Julia geraten war, auf einer Feier, die Dennis veranstaltet hatte, vor einem Jahr. Er war dort Barkeeper gewesen und es hatte sofort gefunkt zwischen den Beiden. Sie trafen sich häufig in Motels und irgendwelchen Gaststätten an der Autobahn. Sie fickten, oh Gott, dachte der Geist, wie oft sie schon gefickt hatten. Er hätte ihn gerne umgebracht, aber wer weiß, welche Konsequenzen ein besessener Selbstmord gehabt hätte. Nach wenigen Minuten hatte Dennis den Körper unter seiner Kontrolle. Nicht viel später erhob er sich, weil er Geräusche aus der Wohnung vernahm. Poltern und Dröhnen. Wahrscheinlich stritten sie sich.
    Die Erinnerung kehrte zurück.
    „Nein“, flüsterte Dennis mit der fremden Stimme. Er ging zur Haustür, denn das war wohl sein Part. Und wenig später wurde sie von seiner Frau, von Julia, der Liebhaberin, geöffnet.
    „Alles klar, mein Schatz“, sagte sie sanft und streichelte Antonio über die Wange, „Das Gift hat gewirkt.“

Duell

    Xavier war ein moderner Hexer. Keiner von diesen verstaubten Antiquitäten irgendwelcher vergangenen Epochen, die auch nicht für Anne Rice’ Geschichten taugten. Nein, er lebte in einer Großstadt, trug seidene Anzüge, bediente sich des Internets und ernährte sich von Mikrowellen-Pizzas. Und er versteckte sich nicht vor den Menschen, im Gegenteil, 20 Stunden in der Woche verübte Xavier sogar einen Teilzeit-Job in einem Hotel. Als Concierge.
    Nicht, dass er es nötig gehabt hätte, einen Beruf auszuüben, aber es bereitete ihm Freude, sich anzupassen. Und die Gäste achteten ihn, seine Kollegen ebenfalls, und die Betreiber des Hotels waren derart von ihm begeistert, dass sie mit dem Gedanken spielten, ihm demnächst die Leitung einer Zweigstelle zu übertragen. Allerdings in einer anderen Stadt. Was Xavier nichts ausmachte, konnte er sich doch jeder Lebenssituation optimal anpassen. Schließlich war er weit herum gekommen während der Jahrhunderte, die er schon lebte, und besaß dementsprechend ein ganzes Repertoire an Erfahrungen. Xavier brachte es sogar fertig, dass ihn jeder für einen normalen Mann im mittleren Alter hielt. Das gelang heutzutage eigentlich niemanden seiner Spezies.
    Also war dieser Hexer ein Vorzeige-Exemplar. Keiner nahm Notiz von seinen Zaubereien, die er nahezu jeden Abend vorbereitete und praktizierte. Es waren meist kleine Hilfestellungen für sein Leben. Wenn Xavier kein Geld mehr hatte, weil er zum wiederholten Male über seine Verhältnisse lebte, sprach er einfach Die Geldformel und das Problem war gelöst. Sehnte er sich nach ein paar angenehmen Stunden zu zweit, zauberte er sich eine Frau. Brauchte er neue Kleidung, tata, da war sie. Und wollte er ein fernes Land bereisen, teleportierte er sich einfach. Nur manchmal zauberte er auch für seine engsten Freunde, aber nur dann, wenn sie es nicht bemerkten. Ganz nebenbei. Wenn sie sich in Lagen manövriert hatten, aus denen sie nicht mehr allein heraus kamen.
    Natürlich war Xavier zu den ganz Großen Zaubereien befähigt, aber das konnte einen Hexer verzehren, seine Psyche beeinträchtigen oder gar das Gehirn fressen, wenn er unachtsam war. Daher begnügte er sich mit dem Kleinen. Und wirklich, sein Leben lief nahezu perfekt, für einen Hexer, der sich in der Post-Moderne mit Superstar-Castings, Doku-Soaps und qualitativ minderwertigen Serien herumschlagen musste (nun, er schaute regelmäßig Fernsehen in seiner Freizeit). Xavier war glücklich und blieb es bis zu jenem schicksalhaften Tag im Mai des Jahres 2004, als der Frühling in Hamburg von einer anhaltenden Schlechtwetterfront verschlungen worden war.
    Xavier lungerte auf seiner Couch, die Fernbedienung in der Hand, auf dem Abstelltisch neben sich die Cola und das Popcorn. Auf einem privaten TV-Sender lief gerade einer seiner favorisierten Actionfilme. Das laute Geballer und die übertriebenen Selbstdarstellungen irgendwelcher Schauspieler hätten beinahe das Klingeln übertönt. Aber Xaviers Sinne waren schärfer als die eines Fuchses. Auch wenn sie in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hatten, weil er seit den Fünfzigern zu gerne einen Fernseher benutzte, hörte und roch und sah er besser als jeder Mensch.
    Das schnurlose Telefon lag neben ihm. Er stellte den Fernseher auf lautlos und schaute auf das Display des Hörers. Nummer unbekannt, flimmerte es ihm entgegen.
    „Hallo?“ begrüßte er seinen Anrufer mit dem freundlichen Bass in seiner

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