Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
guten.«
»Hast du den markierten Ort in den Marschen gefunden?« wollte Seregil wissen.
»Ja. Nach Boersby ritt ich in den südlichen Teil der Marschen. Nachdem, was ich von dir erfahren hatte, dachte ich, die Plenimaraner wären den Ösk heraufgekommen und weiter dem Flußlauf gefolgt. In den Dörfern entlang dieser Route hörte ich von ihnen. Mardus und seine Männer waren vor weniger als einem Mond dort gewesen.«
»Es ist kein Vergnügen, durch die Schwarzwassersümpfe zu reisen«, sagte Alec und schüttelte den Kopf. »In einem Augenblick steht man auf festem Grund, und im nächsten steckt man bis zum Bauch im Schlamm.«
»So ist es. Wenn es nicht gefroren hätte, hätte ich mein Pferd wohl abschreiben können«, bestätigte Micum. »Mardus war bis ins Herz der Sümpfe vorgedrungen. Dort ist nichts als schwankender Morast. Die letzten Siedlungen hatte ich schon lange hinter mir gelassen, und ich wollte bereits umkehren, als ich auf einer kleinen Erhebung einige Häuser sah.
Es war eine der üblichen Sumpfsiedlungen – nur einige schmutzige Hütten um einen schlammigen Weg. Ein durch Holzbalken befestigter Pfad führte hinein, und ich war schon auf halbem Wege dorthin, als ich fühlte, daß etwas nicht stimmte. Niemand war zu sehen. Ihr wißt ja, wie es ist in so kleinen Siedlungen. Sobald ein Fremder auftaucht, bellt der Hund, und die Kinder kommen gelaufen, um zu sehen, wer kommt. Aber dort war niemand. Kein Rauch stieg von den Kaminen auf, keine Stimmen waren zu hören, und niemand schien zu arbeiten. Aber vor den Hütten lagen Körbe und Netze, als hätte sie jemand vor kurzem erst dort abgelegt. Ich dachte, die Bewohner versteckten sich, aber dann hörte ich die Raben …
Ich sah mich um und bekam eine Vorstellung von dem, was dort vorgefallen sein mußte. Die Überreste dreier Menschen lagen verstreut auf der anderen Seite des Hügels. Die Tiere hatten sich schon darüber hergemacht, und was noch übrig war, steckte gefroren im Schlamm. Zwei Erwachsene, ein Mann und eine Frau, waren vermutlich im Laufen erschlagen worden. Der Kopf des Mannes lag abgetrennt zwanzig Schritt weit weg, und die Frau war an der Taille fast ganz durchtrennt. Ein Junge lag halb im Wasser, und aus seinem Rücken ragte noch ein Pfeil.
Die Spuren waren unschwer zu lesen. Dutzende von Fußspuren führten zu einer Vertiefung im Boden auf halber Höhe der Erhebung. Nur wenige Spuren führten zurück. Nach der Art zu schließen, wie der Schlamm verspritzt lag, vermute ich, daß Zauberei im Spiel war. Als ich hinunterging, um mir die Sache näher anzusehen, sank ich plötzlich bis zur Hüfte ein. Als ich mich freikämpfen wollte, stellte ich fest, daß mein Fuß in einer Höhle steckte. Ich grub und fand eine kleine Kammer, sie war nicht hoch und durch Stämme gestützt.«
Micum hielt inne und nahm einen tiefen Schluck Wein, ehe er fortfuhr. »Alle Dorfbewohner waren getötet und in die Höhle geschleppt worden. Es roch grauenvoll; ich wundere mich, daß ihr es an mir nicht riechen könnt. Die Fackel brannte blau, als ich sie durch die Öffnung steckte, um sehen zu können. Überall lagen Tote …«
Er blickte in Seregils ruhige graue Augen und schüttelte den Kopf. »Wir haben schon einiges erlebt, du und ich, aber nichts, das mit dem vergleichbar wäre. Einige hatten sie nur umgebracht, andere waren aufgeschnitten und die Rippen nach außen gebogen, daß die armen Teufel aussahen, als wären ihnen Flügel gewachsen. Innen war auch alles aufgeschnitten.
Inmitten der Kammer stand ein großer flacher Stein. Sie müssen ihr grausiges Werk dort verrichtet haben – er war schwarz von Blut. Ein kleines Mädchen und ein alter Mann lagen noch dort mit grünen Gesichtern. Ich zählte dreiundzwanzig, einschließlich der drei oben auf dem Hügel. Das waren gewiß alle Einwohner des Dorfes.«
Micum seufzte schwer und rieb sich die Lider. »Das Seltsame war, daß ich unter den Leichen ältere Knochen sah.«
Nysander hatte während Micums Bericht teilnahmslos in die Flammen gestarrt. Er wandte seinen Blick nicht ab, als er fragte: »Konntest du den Stein untersuchen?«
»Ja, und ich fand dies.« Micum zog ein Stück halb verrottetes Leder aus einer Gürteltasche und zeigte ihnen die Überreste eines Beutels.
Nysander nahm die Fetzen, untersuchte sie gründlich. Dann warf er sie kommentarlos ins Feuer.
Micum war zu überrascht, um sofort zu reagieren, aber Seregil sprang hoch und versuchte, es mit einem Feuerhaken
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