Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
hüpfte zum Teich und glitt mit geübter Leichtigkeit ins Wasser. Nach wenigen Augenblicken tauchte er wieder auf und legte Thero einen hüpfenden Karpfen zu Füßen.
»Ein kalter Fisch für einen kalten Fisch!« gab er mit otterischer Häme bekannt, ehe er wieder im Wasser verschwand.
Mit finsterem Blick kickte Thero den Fisch zurück in den Teich. »Er kann nirgendwo hingehen, ohne etwas mitgehen zu lassen.«
Nysander wandte sich Alec zu. »Bist du bereit für einen Versuch?«
»Was muß ich tun?« fragte Alec begeistert.
»Am besten wird es sein, wenn du dich zuvor ausziehst. Wie du gesehen hast, können Kleider hinderlich sein.«
Die Erwartung behielt die Oberhand über Alecs Scham, und er zog rasch die Kleider aus. In der Zwischenzeit verwandelte Nysander Seregil zurück, und der Vorgang ging nicht weniger schnell vonstatten als die Wandlung in den Otter.
»Das haben wir schon lange nicht mehr getan«, sagte Seregil und lächelte glücklich, als er sich die Hosen anzog. »Ich verbrachte schon eine ganze Woche als Otter und würde es gerne wieder tun.«
»Das ist keine große Sache«, versicherte Nysander Alec, als der sich vor den Magier kniete. »Befreie deinen Geist. Denke an Wasser oder einen wolkenlosen Himmel. Ehe wir beginnen, muß ich jedoch deinen ganzen Namen wissen.«
»Alec von Kerry wurde ich stets genannt.«
»Er ist der Sohn eines wandernden Jägers, kein Lord«, erinnerte ihn Seregil. »Diese Leute bedürfen nicht so vieler Namen wie wir.«
»Vermutlich nicht. Trotzdem sollte der Junge einen anständigen Namen haben, wenn er mit dir auf Fahrt geht. Alec was waren die Namen deines Vaters, dessen Vaters und des Vaters davor?«
»Der Name meines Vaters war Amasa. Die anderen kannte ich nicht«, erwiderte Alec.
»Ich gebe dir einen Namen, wie er hier im Süden üblich ist, daher bist du Alec í Amasa von Kerry«, sagte Nysander. »Ich vermute, daß das genügen wird.«
»Er wird wohl selten seinen eigenen Namen verwenden, wenn er mit Seregil unterwegs ist«, bemerkte Thero ungeduldig.
»Das ist richtig.« Nysander legte Alec die Hand auf den Kopf.
Alec dachte angestrengt an klares Wasser, während er Nysander sagen hörte: »Alec í Amasa Kerry, laß dein inneres Symbol sich enthüllen!«
Alec stolperte, fand sein Gleichgewicht wieder und machte sich zur Flucht bereit.
Alles erschien in verschiedenen Grautönen, aber nicht die geringste Bewegung entging ihm. Überwältigender noch waren die Gerüche. Vom Teich stieg der süße Geruch frischen Wassers auf, und in der Nähe waren Pferde. Die unzähligen Pflanzen des Gartens webten ein Muster an Aromen, einige stanken nach Gift, andere dufteten saftig und einladend.
Am nachdrücklichsten jedoch war der Geruch von Menschen, der ihm warnend in die Nüstern stieg. Ein Teil von ihm geriet in Panik. Er konnte ihre seltsamen Geräusche nicht verstehen, auch nicht die absonderlichen Gesten, die sie vollführten.
Dann näherte sich der kleinste von ihnen und machte andere, ruhigere Geräusche. Er behielt auch die anderen Gestalten im Auge, erlaubte aber dem einen, näher zu kommen und ihn am Hals zu streicheln.
»Großartig!« rief Seregil aus und betrachtete sich den jungen Hirsch, in den Alec sich verwandelt hatte. Seine Nüstern blähten sich nervös und witterten die Luft, als er seinen kräftigen Hals berührte. Er warf den Kopf mit dem Geweih zurück und blickte ihn mit weit offenen blauen Augen an.
»Bemerkenswert«, gab Thero zu und kam einen Schritt näher. »Bring ihn näher an den Teich, damit er sehen kann …«
»Thero, nein! Ich glaube, er ist …«, zischte Seregil, aber es war zu spät.
Als sich der junge Zauberer näherte, bäumte sich der Hirsch panikerfüllt auf.
Seregil ließ sich nach hinten fallen, um den schlagenden Hufen zu entgehen.
Nysander packte Thero hinten an der Robe, und es gelang ihm, ihn in Sicherheit zu ziehen, als das verschreckte Tier vorwärts stürmte und mit dem Geweih um sich schlug.
»Verwandle ihn zurück!« brüllte Seregil. »Er hat sich in dieser Gestalt verloren. Rasch, ehe er entflieht!«
Nysander gab den Befehl, und die Gestalt des Hirsches änderte sich und verschwamm, und zurück blieb Alec, der benommen im Gras lag.
»Ruhig jetzt«, sagte Nysander und legte ihm einen Umhang um die Schultern.
»Hat es geklappt?« fragte Alec, und er fühlte sich schwindelig. »Alles war so seltsam.«
»Hat es geklappt?« Seregil saß auf seinen Hacken und lachte lauthals. »Hör zu. Zunächst
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