Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
mir, daß üble Magie schuld war an seiner Krankheit. Könnten Mardus’ Leute uns von Wolde hierher gefolgt sein? Können sie mir morgen nach Hause folgen?«
Nysander seufzte tief. »Ich entdeckte noch keine Zeichen einer solchen Verfolgung. Ich würde dich gerne beruhigen, daß keine Gefahr besteht. Aber ich bin mir dessen nicht sicher. Doch du kannst mir glauben, beide könnt ihr mir glauben, wenn ich sage, daß – an einen Schwur gebunden oder nicht – ich keinen von euch durch falsche Versicherungen in Gefahr bringen werde. Ich will weiterhin über euch wachen, aber auch ihr müßt achtsam sein.«
Micum zwirbelte die Enden seines Schnurrbartes und sah ernst drein. »Es gefällt mir nicht, Nysander. Es gefällt mir gar nicht, aber ich vertraue dir. Komm jetzt, Alec, wir sollten versuchen, Seregil zu finden. Allein wird er sich nicht beruhigen, und du kannst mir helfen, ihn in einer Pferdetränke abzukühlen.«
Zunächst sahen sie im Schlafzimmer nach. Seregils alter Reisesack lag auf dem Bett. Daneben befand sich ein unordentlicher Haufen alter Karten und Pergamentzettel. Sein Reiseumhang lag auf einem Haufen neben dem Stuhl, zusammen mit einigen Hemden und einem zerdrückten Hut. Die Spitze eines Stiefels sah unter einem Stück Bettuch hervor wie die Schnauze eines Hundes. Kämme, eine Rolle Schnur, ein Bierkrug und Teile eines gebrochenen Feuersteines lagen wie bewußt angeordnet auf dem Fensterbrett.
»Noch ist er nicht fort«, bemerkte Micum, als er das Durcheinander betrachtete. »Ehe wir gehen, möchte ich gerne noch wissen, was euch beiden zugestoßen ist.«
Aufs neue erzählte Alec die Einzelheiten ihrer Reise und von Seregils seltsamer Erkrankung. Als er geendet hatte, fuhr sich Micum müde durch die kupfernen Stoppeln auf dem Kinn.
»Das wird Nachwirkungen haben, dessen bin ich sicher. Trotzdem sollte er wissen, daß Nysander ihn nicht grundlos im Dunkeln tappen läßt. Ich schwöre, daß Seregil einer der klügsten Menschen ist, denen ich je begegnet bin, und auch der tapferste, aber er ist schlimmer als ein Kind, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht …« Micum gähnte herzhaft. »Komm, wir sollten es hinter uns bringen.«
»Wo fangen wir mit unserer Suche an?« fragte Alec und folgte ihm hinaus. »Er könnte überall sein.«
»Ich weiß, wo wir beginnen werden.«
Micum ging voraus zu den Ställen des Orëska. Sie fanden Seregil in einer der Boxen, wo er sich um Micums erschöpftes Pferd kümmerte.
»Du hast ihn fast zuschanden geritten«, sagte er ohne aufzusehen. Mist klebte an seinen Stiefeln, Staub und Pferdehaar hatte sich in seinen Haaren verfangen. Über eine Schulter hing ein Stück verschwitztes Sackleinen, während er die Flanken des Tieres abrieb. Ein Schlammstreifen auf einer Wange verlieh seinem Gesicht den Anschein von Trauer.
Micum lehnte sich gegen den Endpfosten. »Du hast dich drinnen wie ein Narr benommen. Du solltest Alec ein besseres Beispiel geben.«
Seregil warf ihm einen langen Blick zu und arbeitete dann weiter.
Micum beobachtete eine Weile, wie er das Pferd striegelte. »Wirst du mit Nysander reden, ehe du aufbrichst?«
»Sobald ich hier fertig bin.«
»Sieht aus, als müßten wir ihn doch nicht in den Trog werfen, hm?« Micum blinzelte Alec zu. »Und ich habe mich schon so darauf gefreut.«
Seregil schrubbte an einem Stück getrockneten Schlamm, daß eine Staubwolke aufstieg. »Brichst du morgen auf nach Watermead?«
Micum überhörte die geschickt versteckte Herausforderung in der Frage nicht. »Bei Sonnenaufgang. Kari wird mir die Haut abziehen, wenn ich noch länger fernbleibe. Warum kommt ihr nicht mit? Es ist eine gute Zeit für die Jagd, und wir könnten Alecs Schwerttraining fortsetzen. Beka wäre die geeignete Partnerin für ihn.«
»Ich möchte mich zunächst im ›Hahn‹ wieder häuslich einrichten«, erwiderte Seregil.
Micum gähnte wieder. Dann drückte er eine lange Weile Seregils Hand und sah dabei seinem Freund in die Augen, bis der ein widerstrebendes Lächeln sehen ließ. Zufrieden ließ Micum ihn los und gab Alec einen Klaps auf die Schulter. »Ich werde schon schlafen, wenn du nach oben kommst, also leb wohl fürs erste. Das Glück in den Schatten soll euch hold sein.«
»Und dir«, rief Alec ihm nach.
Alec stülpte einen Eimer um und nahm darauf Platz, um Seregil Gesellschaft zu leisten. »Er bleibt nicht lange, nicht wahr?«
Seregil zuckte mit den Schultern. »Micum? Manchmal schon. Aber nicht wie früher.« Alec fühlte,
Weitere Kostenlose Bücher