Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
wissen lassen, wann ich zurückkomme, entschuldigt sich für das Essen, was nie nötig ist; verspricht mir, die Bücher vorzulegen, die ich nie ansehe; und dann beschwert sie sich über meine Katze.«
Oben angelangt, machten die Stufen eine scharfe Biegung und führten dann weiter, offensichtlich in einen Speicher. Ein kurzer, spärlich beleuchteter Korridor, der an einigen geschlossenen Türen vorbeiführte, verlief in Richtung des Hauptgebäudes.
»Die Tür dort am Ende führt in die Schenke.« Seregil deutete hinunter. »Sie ist stets verschlossen. Die Tür neben der unseren führt in einen Lagerraum, daneben sind die Räume von Diomis und den Frauen. Diomis ist Thryis’ Sohn, und Cilla ist seine Tochter.«
»Was ist mit Cillas Ehemann?« wollte Alec wissen.
»Noch nie hat eine Frau einen Ehemann gebraucht, um ein Baby zu haben. Im vergangenen Jahr wurde gemunkelt, daß viele Frauen eingezogen werden sollten, und Cilla wollte sichergehen, daß sie dafür nicht in Frage käme. Sie bot mir sogar die Ehe an, was ich jedoch höflich ablehnte. Etwas später kam sie mit ihrem großen Bauch wieder. In ihren jungen Jahren war Thryis Sergeant und daher über den Zustand ihrer Enkelin gar nicht begeistert, aber es war schon zu spät. Nun komm, und paß gut auf. Ich muß dir einiges zeigen.«
Die Treppe zum Speicher war steil. Seregil hielt die kleine Lampe hoch und deutete auf die schmucklose Wand zur Linken.
»Hör zu und sieh dir die Wand an«, sagte er leise. »Etuis miära koriatüan cyris.«
Einen Lidschlag lang sah Alec das sanfte Glühen magischer Symbole, wie er sie auch im Orëska gesehen hatte. Sie waren rasch wieder fort, als daß er deutlich hätte erkennen können, wie viele es waren. Aber als sie verblaßten, schwang ein kleiner Teil der Wand wie eine Tür auf. Seregil bedeutete ihm, hindurchzugehen, dann schloß er die Tür fest zu. Sie stiegen eine weitere, gefährlich steile Treppe hinauf, die an einer glatten Wand endete. Am Kopfende der Treppe hielt Seregil an und sagte: »Clarin, magril, nodense.«
Eine weitere Tür erschien, und Alec fühlte einen Luftzug, als sie in einen kalten, staubigen Raum traten.
»Wir sind fast da«, flüsterte Seregil. »Paß auf, wo du hintrittst.«
Sie tasteten sich um Kisten und Schachteln herum, die hier standen und gelangten an die gegenüberliegende Wand.
»So, hier sind wir. Bôkthersa!«
Eine dritte Tür öffnete sich in einer scheinbar festen Wand und führte zu einem weiteren dunklen Raum dahinter.
»Willkommen in meinem bescheidenen Heim«, sagte Seregil mit seinem schiefen Lächeln.
Alec trat ein und schlug sich das Schienbein gegen einen Steinbasilisken, der neben der Tür stand. Er stützte sich ab und fühlte einen dicken Wandbehang. In der Dunkelheit konnte er nur wenig sehen, aber dieser Ort roch nach Exotischerem als nach Staub.
»Bleib lieber stehen, bis ich Licht gemacht habe«, riet Seregil. Die kleine Lampe hüpfte durch den Raum und gab kurz den Blick frei auf poliertes Holz und einen gemusterten Teppich. Plötzlich wurde es zur Seite gerissen, und Alec hörte etwas Großes fallen. Darauf folgte ein deutlich vernehmbares Fluchen. Das Licht hüpfte sachte weiter und kam schließlich auf einem Kaminsims zur Ruhe, wo sein Schein sich in Hunderten von Juwelenfacetten in Juwelen widerspiegelte, die dort in einer geöffneten Schatulle lagen.
Seregil hantierte eine Weile. Als er das Gefäß mit den Feuersteinen fand, schüttete er einen davon auf das Holz im Kamin. Sogleich züngelten Flammen hoch, und Seregil ging durch den Raum und entzündete Kerzen.
Alec trat in den Raum hinein und stieß einen Ruf der Überraschung aus, als es heller wurde. Die kräftigen Farben der Wandteppiche verliehen dem Licht ein warmes Glühen, und an Vielfalt und Unordnung konnte sich Seregils Zimmer durchaus mit Nysanders Arbeitszimmer messen. Er sah sich langsam um, um möglichst alles aufzunehmen.
Ein Regal, vollgepackt mit Büchern und Schriftrollen, nahm etwa die Hälfte der Wand gegenüber der Tür ein. Mehr Bücher stapelten sich auf dem Eßtisch in der Mitte des Raumes und auf dem Kaminsims. Zwischen dem Tisch und dem Kamin lag ein enorm großer Teppich mit roten, blauen und goldenen Mustern. Den Rest des Bodens bedeckten Binsenmatten.
An der Wand zu seiner Rechten blickten zwei kleine Fenster auf den Hinterhof; ein kleiner Schreibtisch stand unter dem rechten Fenster. Dort steckten in Ablagefächern eine großzügige Auswahl an Federn, Tinten, Stiften,
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