Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Rollen aus Velin und Pergament und Wachstafeln. Der Schreibtisch war, wie die meisten anderen Möbel im Raum, aus hellem Holz gefertigt, und an den Rändern waren dunklere Holzteile eingelegt. Der schlichte Stil der Möbel unterschied sich sichtlich von der Einrichtung im Orëska.
Ein langer Werktisch, dessen Platte viele Schrammen und Kratzer aufwies, stand unter dem zweiten Fenster. Darauf lagen Schlösser, Werkzeuge, Bücher und etwas, das wie ein kleiner Amboß aussah, sowie Dutzende halb zusammengesetzte Dinge, deren Zweck Alec nicht kannte. Um das Fenster und den Rest der Wand war ein Regal angebracht, das eine verwirrende Vielfalt verschiedener Dinge enthielt. Weitere Schlösser, rohe Metall- und Holzstücke, eine Anzahl von Werkzeugen und Vorrichtungen, deren Zweck Alec nicht erahnen konnte. Dazwischen sah er Masken, Schnitzereien, Musikinstrumente jeder Art, Schädel von Tieren, getrocknete Pflanzen, feine Töpferware, glitzernde Kristalle – alles lag dort ohne erkennbare Ordnung. Ein breites Halsband aus Gold und Rubinen fing das Licht der Lampe auf dem Schreibtisch auf und sandte roten Lichtflitter zu einem großen Klumpen gebrannten Tons, der vielleicht eine einfache Schale darstellte oder eine Art Nest.
Ein Teil der Wand zur Linken des Eingangs war einer Kollektion Waffen vorbehalten. Vorwiegend Messer und Schwerter hingen dort, offensichtlich ihrer außergewöhnlichen Ornamente wegen. Überall standen Truhen und Koffer – entlang der Wände, in Ecken, unter Tischen. In manchen Ecken standen Statuen, einige hübsch, andere grotesk. So exzentrisch der Raum auch wirkte, mangelte es nicht an Wärme und einer wie zufällig wirkenden Anmut.
»Ich komme mir vor wie im Museum des Orëska-Hauses!« rief Alec aus und schüttelte den Kopf. »Woher hast du all das?«
»Einiges gestohlen.« Seregil setzte sich auf die Couch vor dem Kamin. »Diese Statue neben der Eingangstür stammt aus einem alten Tempel, den Micum und ich für Nysander in den östlichen Vorgebirgen des Ashek ausgegraben haben. Diese, an der Tür zum Schlafraum, war das Geschenk eines Bewunderers.« Er wies auf eine wundervoll gestaltete Meeresnixe aus grünem Jade. Die Nixe entwuchs der Schaumkrone einer Welle, die einen Teil ihres schuppigen Fischleibes bedeckte. Eine Hand hielt sie über den Brüsten, während die andere das schwere Haar aus dem Gesicht strich.
»Den roten Wandbehang zwischen den Bücherregalen fand ich im Besitz eines zengatischen Banditen. Ich tötete ihn, nachdem er mich in einen Hinterhalt gelockt hatte.« Seregil sah sich weiter um. »Diese Schlösser über dem Tisch. Die wirst du noch gut kennenlernen, während du deine Ausbildung fortsetzt. Und der Rest …« Er lächelte wehmütig. »Nun, ich habe wohl ein wenig die Seele einer Elster. Ich kann glänzenden Gegenständen einfach nicht widerstehen. Das meiste ist nicht viel wert. Ich will vieles ohnehin ausmisten. Das einzige hier von wirklichem Wert ist etwas, das man in Eile leicht mitnehmen kann.«
»Wenigstens gibt es hier keine Hände mit Eigenleben.« Alec sah sich wieder um. »Oder?«
»Ich schätze Dinge dieser Art nicht mehr als du, das kannst du mir getrost glauben.«
Alec konnte sich noch immer nicht losreißen, es schien ihm, daß irgend etwas mit dem Raum nicht stimmte.
»Die Fenster.« Er beugte sich über den Tisch, um hinauszusehen. »Ich sah von außen keine Fenster.«
»Nysander belegte sie mit einem Bannspruch, wie auch die Narbe auf meiner Brust«, erklärte Seregil. »Die Fenster sind von außen nicht zu sehen, es sei denn, du würdest durch eines klettern. Und selbst dann sähe es aus, als kämst du direkt aus der Wand.«
»Diese Stadt ist voller Magie!«
»Nicht wirklich. Magie ist nicht billig, und die Magier des Orëska arbeiten nicht für jeden. Aber man stößt dennoch immer wieder auf Magie, daher ist es weise, sich in acht zu nehmen.«
Es wurde allmählich warm im Zimmer. Seregil warf seinen Umhang über den Arm der Nixe, nahm eine kleine Silberlampe und öffnete die andere Tür des Raumes. »Komm hier herein, ich muß dir noch etwas anderes zeigen.«
Der Raum war als Schlafgemach gedacht, doch seine Ausmaße konnte man nur schwer bestimmen. Kisten, Schachteln und noch mehr Bücher füllten ihn. Ein reich verziertes Bett mit Vorhängen in grünem und goldenem Samt stand an der Wandgegenüber der Tür.
»Das ist deines?« fragte Alec, der dergleichen noch nie gesehen hatte.
»Habe ich beim Würfelspiel gewonnen.« Seregil
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