Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
sieben Blätter aus und legte sie zur Seite. »Ich gebe Euch fünf Goldsester für diese hier.«
»Gemacht, und der Segen der Vier sei Euch für Eure Großzügigkeit gewiß!« krächzte der Bettler. Sodann schob er das kleine Häufchen Münzen ein, sammelte die abgewiesenen Papiere auf und schlurfte ohne einen Blick zurück in die Nacht hinaus.
Ghemella verriegelte die Tür hinter ihm und gestattete sich ein verschmitztes Lächeln. Sie schob mit dem Fuß den Hocker beiseite, den Dakus mit seiner deformierten Rückenpartie befleckt hatte, zog einen anderen heran und setzte sich, um die gestohlenen Dokumente genauer zu studieren.
Mittlerweile humpelte der verkrüppelte Bettler die Hundestraße hinunter und zog sich in den düsteren Schatten einer verlassenen Gasse zurück. Nachdem er sich genau umgesehen hatte, ob auch niemand dort lauerte, nahm er ein flaches Amulett aus gebranntem Ton von der Schnur an seinem Hals und schlug es gegen die Wand, bis es zerbrach. Ein Krampf erfaßte einen Moment lang den zerbrechlichen, alten Körper und schüttelte ihn, während die Magie daraus entwich. Danach stand Seregil wieder jung und lebendig wie immer da.
Er würgte trocken, hatte die Hände auf die Knie gestützt und stand vornübergebeugt, so wartete er, bis die Welle von Übelkeit von ihm gewichen war. Viele der größeren magischen Anstrengungen forderte solchen oder zumindest ähnlichen Tribut in mehr oder weniger hohem Maße. Das war eine der Nebenwirkungen, mit denen er im Umgang mit der Magie rechnen mußte.
Schließlich richtete er sich auf und fühlte die beruhigende Glätte seines Gesichts und seines Körpers. Er nahm einen Lichtstein, schirmte ihn mit der Hand ab und blätterte die von Ghemella abgelehnten Papiere durch.
Er hatte eine verlockende Auswahl mitgebracht: Dokumente, persönliche Korrespondenz, Liebesschwüre aus illegitimen Verbindungen, alles stammte von einflußreichen Personen. Die meisten der Papiere waren alt – sie waren ihm bei den verschiedensten nächtlichen Unternehmungen in die Hände geraten. Dazwischen jedoch hatten als Würze drei halbfertige Briefe aus der Feder eines gewissen Lord Seregil gesteckt. Da er die Methoden seiner Gegner kannte, hatte er sich Mühe gegeben, die Briefe möglichst vieldeutig abzufassen. Ghemella hatte alle drei gekauft.
Seregil lächelte düster und ging zurück zu dem Juwelierladen, um im Dunkel der Nacht seine geduldige Wache aufzunehmen.
24
Watermead
Alec hieb mit seiner Klinge Bekas Schwert zur Seite, sprang nach hinten weg und brachte sie so aus dem Gleichgewicht. Zum erstenmal in einer halben Stunde hatte er es fertiggebracht, ihre Verteidigung zu umgehen und einen Treffer zu landen.
»So ist es gut! Halt sie, halt sie!« schrie Micum. »Jetzt zieh so zurück, wie ich es dir gezeigt habe. Genau richtig. Und jetzt noch einmal!«
Seit dem frühen Morgen war dichter Schnee gefallen, und deshalb hatten sie den Speisesaal ausgeräumt, um Platz zum Üben zu haben. Alec hatte in den letzten drei Tagen gute Fortschritte gemacht, und nun wollten sie unbedingt vermeiden, daß er das Gelernte wieder vergaß, ehe es gefestigt war.
Kari hatte viel Geduld mit dem allen bewiesen und lediglich darauf bestanden, daß die Tische weggerückt wurden, um die Wandbehänge zu schützen. Dann hatte sie sich den Rest des Vormittags über mit Elsbet in die Küche zurückgezogen, Illia jedoch war ihrem Vater nicht von der Seite gewichen und jubelte jedesmal lauthals, wenn Alec ihre Schwester in Bedrängnis brachte. Sie hatte bisher noch nicht viele Gelegenheiten zum Jubeln gehabt.
Beka rieb sich mit verlegenem Lächeln die Seite. »Stimmt, du machst Fortschritte. Ich glaube, Seregil wird seine Freude haben.«
Ihr sommersprossiges Gesicht war rot und erhitzt, und ihre Augen funkelten genauso wie Micums, wenn er mit Seregil eines ihrer Übungsgefechte ausfocht. Das zurückgebundene Haar ließ sie reifer erscheinen, und die enge Weste betonte ihre weibliche Figur stärker als das einfache, weite Hemd, das sie gewöhnlich trug.
Als sie ihr Schwert erneut erhob, war er vor Bewunderung so abgelenkt, daß ihr plötzlicher Überhand-Schlag ihn völlig überraschte, was ihn eine neue Schramme an der Schulter kostete.
»Verdammt, wieder der gleiche Fehler!« Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht nahm er sich vor, künftig etwas vorsichtiger zu sein.
»Konzentration«, mahnte Micum. »Beobachte deinen Gegner, mach die Augen auf, dir darf nichts entgehen. Das Zucken
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