Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
eines Augenlids, eine Gleichgewichtsverlagerung, die Art, wie sich ihr Mund verhält, alles, was dir verraten kann, was sie als nächstes vorhat. Und spann dich nicht so an; das macht dich langsam.«
Alec bemühte sich, das alles im Kopf zu behalten, während er sich langsam im Kampf zurückzog und Beka zwang, ihm zu folgen. Der mit Draht umwickelte Griff seines Schwerts lag warm und vertraut in seiner Hand, als er zum Angriff überging. Er traf ihre Klinge an der Parierstange, drehte fest und hätte sie damit beinahe entwaffnet.
»Hurra für Alec!« krähte Illia und klatschte vor Freude in die Hände, als ihr Favorit die Oberhand zu gewinnen schien.
Beka jedoch kannte diesen Trick und konterte sogleich. Sie hakte einen Fuß an seinem ein und zog ihm das Bein unter dem Leib weg. Alec fiel schwer nach hinten, während sein Schwert über die Pflastersteine wegschlitterte. Beka nagelte ihn nicht gerade sanft mit einem Fuß auf seiner Brust fest und drückte die Spitze ihrer Klinge leicht an seine Kehle.
»Bitte um Gnade!«
»Gnade!« Alec ließ als Zeichen der Unterwerfung die Hände zu Boden sinken. Als sie ihn dann losließ, packte er sie aber blitzschnell am anderen Fuß und brachte sie neben sich zu Fall. Dann sprang er rittlings auf sie, zog den schwarzen Dolch aus seinem Stiefel und setzte ihn an ihre Kehle.
»Nun bittest du um Gnade!« triumphierte er.
»Du hast unfair gekämpft!« spuckte Beka aus.
»Du doch auch!«
»Seregil wird seine Freude haben!« stöhnte Micum und schüttelte den Kopf.
»Es klingt, als werfe hier draußen jemand mit Ambossen herum!« lachte Kari, die gerade mit einem Arm voll Schneidbrettern hereinkam. »Die ganze Bande jetzt raus hier. Sucht euch einen anderen Platz, um Lärm zu machen. Ich muß hier eine Mahlzeit vorbereiten.«
Bald kamen Knechte und Mägde zum Mittagessen in den Speisesaal. Sie stampften sich den Schnee von den Stiefeln, zogen dann die Tische in die Mitte, und bald saßen alle über ihrer heißen Mahlzeit.
Micum verbrachte die meiste Zeit während des Essens damit, gemeinsam mit dem Aufseher eine neue Sägegrube zu planen. Es entging allerdings keineswegs seiner Aufmerksamkeit, daß Alec und Beka die Köpfe zusammensteckten und irgend etwas miteinander besprachen. Elsbet, die an Alecs anderer Seite saß, schien sich für das Gespräch nicht zu interessieren, daher schloß Micum, daß sich die beiden über Schwertkampf oder Bogenschießen unterhielten.
Kari lehnte sich vor und folgte dem Blick ihres Mannes. »Du glaubst doch nicht etwa, daß sie dabei ist, sich zu verlieben, oder?« flüsterte sie.
»Mit einer Einberufung zu der Berittenen Garde der Königin in der Tasche?« Micum schmunzelte. »Dazu ist unsere Beka zu stur.«
»Trotzdem – er ist ein guter Junge.«
»Gib die Hoffnung nicht auf«, neckte Micum sie. »Für Elsbets Geschmack ist er zu wild, aber Illia würde ihn auf der Stelle nehmen. Das sagt sie jeden Tag mindestens zweimal.«
Kari versetzte ihrem Mann augenzwinkernd einen leichten Stoß in die Rippen. »Mach nur so weiter. Das letzte, das ich in dieser Familie brauchen kann, ist noch so ein Herumtreiber. Und wenn Seregil sich dieses Jungen annimmt, kannst du darauf wetten, daß er einer ist oder zumindest wird.«
Micum nahm sie in den Arm und drückte sie. »Du kannst das am besten beurteilen, meine geduldige Liebste.«
Am Ende der Mahlzeit schob Micum seinen Stuhl zurück. »Ich sollte Lord Quineas einen Besuch abstatten. Ich habe ihm neulich versprochen, mit ihm Mühle zu spielen. Du kommst doch auch mit, Kari, oder? Du hast Lady Madrina schon wochenlang nicht mehr gesehen.«
»Ich auch! Ich auch!« schrie Illia und sprang ihrem Vater direkt in die Arme. »Ich will Naria das Amulett zeigen, das mir Onkel Seregil mitgebracht hat.«
»Na ja, dann nehmen wir halt die ganze Bande mit«, rief Micum und schwenkte das kleine Mädchen in der Luft herum.
Beka tauschte einen Blick mit Alec. »Wir wollten am Flußweg entlang jagen gehen.«
»Sie will nur Ranik nicht treffen«, stichelte Illia.
»Er kann zur Abwechslung Elsbet anhimmeln«, schoß Beka zurück. »Sie ist schließlich diejenige, die ihn für einen feinen Herrn hält.«
»Das ist er auch!« warf Elsbet gekränkt ein. »Er ist ein Gelehrter und ein Poet obendrein. Nur, weil er nicht ständig draußen ist und auf Sachen schießt wie du.«
»Zum Glück für die gesamte Nachbarschaft«, stellte Beka verächtlich fest. »Dieser Plumpsack hat doch zwei linke Hände, er könnte
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