Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
es, daß du dich so deutlich an diese bestimmte Sache erinnerst?«
»Es liegt an den Vollmachten, Mylord. Man hat nicht jeden Tag eine Gelegenheit wie diese«, krächzte Alben. »Aber da ist auch noch die Sache mit den Schiffsmanifesten. Eines davon war für ein Schiff namens Der Weiße Hirsch, das in Cirna registriert war. Ich erinnere mich daran, weil ich einem meiner Nachbarn einen Gefallen erwies und den Namen seines Jungen auf die Besatzungsliste setzte. Das Schiff sank weniger als einen Monat später mit Mann und Maus im ersten Herbststurm. Der Junge ertrank.«
»Du bist sicher, was den Namen des Schiffes angeht? Der Weiße Hirsch?« erkundigte sich Phoria.
»Jawohl, Hoheit. Ich erinnere mich nicht an die anderen Schiffe, aber an dieses. Monatelang behielt ich die Hafenlisten im Auge, in der Hoffnung, die Hirsch würde wieder auftauchen und der Junge mit ihr. Mein Nachbar hat seither nicht mehr mit mir darüber gesprochen. Dieser Mann jedenfalls, der zu mir kam, er wollte über die Jahre noch ein paar andere Dinge, größtenteils Manifeste, bis zum letzten Frühjahr. Eines Nachts im Nythin sagte er, er wolle, daß ich einen Brief ändere, und ob ich das könne. Es war der Brief, den Ihr dort haltet, Majestät, der Brief von Lord Vardarus. Für einhundert Goldsesterzen fertigte ich zwei Kopien mit den Änderungen an. Ghemella setzte die Siegel darunter, wie immer.«
»Und du hast Kopien für dich selbst angefertigt«, unterbrach Nysander. »Für den Fall, daß du sie in Zukunft noch einmal gebrauchen könntest?«
Alben nickte schweigend.
»Und dieser Mann, hat er dir auch die Briefe von Lord Seregil gegeben?«
Alben zögerte. »Nur den ersten, Mylord. Der Rest kam erst kürzlich über Ghemella zu mir, und ich verkaufte sie an diesen Mann.«
»Ich kaufte sie von Chars«, warf die Edelsteinschleiferin hastig ein.
»Was sagt sie da?« fragte Phoria.
»›Char‹ ist der Gossenausdruck für Händler gefälschter Papiere«, erklärte Nysander.
»Genau so, Euer Lordschaft«, sagte Ghemella, entschlossen, nicht die kleinste Kleinigkeit auszulassen. »Ich bekam sie von einem alten Krüppel namens Dakus.«
Ah, Seregil! Diesmal hast du dich selbst überlistet! dachte Nysander resigniert. Er wußte nur zu genau, wer dieser ›Dakus‹ war und von wem der zweite belastende Brief stammte.
»Dieser Bursche, der mir alles abgekauft hat – er war sehr zufrieden mit meiner Arbeit«, fuhr Alben fort. »Er sagte, er würde gut bezahlen für alle Briefe von Adligen, die nicht aus Skala stammten.«
»Lord Vardarus’ Großvater war ein Baron aus Plenimar.« Idrilain runzelte die Stirn und spielte mit dem Heft ihres Schwertes. »Und Seregil … Nun, das ist sicher kein Geheimnis.«
»Und so hast du die Fälschungen für diesen Mann angefertigt und erneut Kopien für dich selbst behalten«, sagte Barien. »Weshalb hat er diese Dokumente haben wollen?«
»Das hat er nie gesagt, Mylord, und ich habe nie danach gefragt«, antwortete Alben mit einem Anflug von verdrehtem Stolz. »Verzeiht mir, wenn ich dies so sage, doch ein Fälscher ohne Diskretion lebt nicht lange.«
»Ist das alles, was du uns erzählen kannst?« Barien blickte fragend den Zauberer an, der noch immer hinter dem verurteilten Paar stand.
»Es ist alles, was ich in dieser Angelegenheit weiß, Mylord«, versicherte Alben hastig.
Imaneus wollte erneut nicken, doch Nysander kam ihm zuvor.
»Ein paar wichtige Punkte wären noch zu klären«, sagte er. »Erstens, wann wird die letzte Fälschung abgeliefert, und an wen? Und zweitens, wissen die Verurteilten von einer Verwicklung der Leraner in diese Geschichte?«
»Leraner!« Barien umfaßte wütend seine schwere Amtskette. »Was haben die Leraner mit dieser Geschichte zu tun?«
»Ich weiß nichts von irgendwelchen Leranern!« kreischte Alben und blickte flehentlich zu Idrilain auf. »Ich bin dem Thron gegenüber loyal, ganz gleich, welchen Blutes Ihr seid, große Lady! Ich würde nichts mit diesen Dingen zu tun haben wollen!«
»Und ich auch nicht, Eure Herrschaft, ich auch nicht!« schluchzte Ghemella.
»Sie sprechen die Wahrheit«, sagte Imaneus.
»Ihre Loyalität in dieser Hinsicht ist zur Kenntnis genommen«, beobachtete Idrilain trocken. »Doch wie steht es mit Nysanders erster Frage? Wann sollen diese neuen Fälschungen abgeliefert werden, und an wen?«
»Morgen nacht, meine Königin«, gestand Alben. »Diesmal waren es drei Stück. Es sind die, die in dieses gelbe Band eingewickelt sind. Ein
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