Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Angenommen, sie wird sich fragen, ob deine Loyalität mir gegenüber größer ist, als die gegenüber ihr? Denke daran, daß der Körper im Turm meiner ist. Ich will ihn in einem Stück zurück!«
Micum las den Brief ein weiteres Mal.
»Könnte das nicht eine Fälschung sein? Bei Sakors Flamme, wir haben zur Zeit mit den besten Fälschern Rhíminees zu tun.«
»Und was ist mit Teukros?« fügte Alec hinzu. »Sein Wort steht gegen Kassaries, daß er beabsichtigte, dorthin zu gehen. Er konnte ebensogut zu Barien gegangen sein. Als Mitglied der Familie hat er freien Zugang zum Haus. Er hätte seinen Onkel ermorden, das Schriftstück hinterlegen und das Haus wieder verlassen können. Ich sagte bereits, daß Barien über ihn sehr verärgert war.«
Nysander schüttelte den Kopf. »Weder an Bariens Körper noch sonstwo im Raum waren Zeichen von Gewalt oder Zauberei zu entdecken.«
»Türen?« warf Seregil ein.
»Von innen verschlossen. Was Teukros’ Verschwinden betrifft, so bin ich überzeugt, daß Barien selbst die Sache in die Hand genommen hätte, wenn er die Familienehre in Gefahr geglaubt hätte. Für solche Handlungsweise gibt es beim Adel genug Präzedenzfälle. Eine Tatsache bleibt jedoch, was immer Alec letzte Nacht gehört hatte, muß direkt mit Bariens Tod zu tun gehabt haben.«
»Was ist mit Phoria?« fragte Micum. »Es scheint, sie war eine der letzten, die ihn lebend sahen. Er hatte sie zu sich befohlen. Hat schon jemand mit ihr gesprochen?«
»Es wird verlautet, daß die königliche Prinzessin trauert und niemanden empfängt«, erwiderte Nysander.
»Damit kann man nicht viel anfangen«, überlegte Seregil. »Glaubst du, daß sie in die Sache verwickelt ist?«
»Vor Lord Bariens Tod hätte ich das nicht gedacht. Nun fürchte ich, müssen wir diese Möglichkeit mit einbeziehen. Wenn es sich als wahr herausstellen sollte, müssen höhere Autoritäten sich damit befassen.«
Seregil schritt weiter nervös durch den Raum. »Ein Mann ist tot, der andere wird vermißt. Wurden ihre Häuser durchsucht?«
Nysander nickte. »In Teukros’ Villa wurden einige gefälschte Schiffsmanifeste gefunden. Ebenso die Kopien einiger Siegel einschließlich des deinen und das von Lord Vardarus, Biruthus í Tolomon und Lady Royan ä Zhirinis.«
»Mein Siegel und das Vardarus’; das läßt klare Schlüsse zu.« Seregil nahm einen Sextanten von einem der Arbeitstische und hantierte abwesend daran herum. »Was ist mit den anderen? Von ihnen habe ich noch nie gehört.«
»Niederer Adel mit Aufgaben von geringer Bedeutung. Lady Royan steht dem Hafen von Cadumir an der Inneren See vor, nördlich von Wyvern Dug. Ihr Posten ist ein Erbtitel und an ihr Gut gebunden. Der junge Sir Biruthus hatte kürzlich einen Posten bei den Truppenlieferanten zugewiesen bekommen – es hat etwas mit Fleisch zu tun, glaube ich.«
»Das klingt nicht, als gehörten sie zu den Leuten, die das Reich stürzen könnten«, meinte Micum verwirrt.
»Und wo wurden all diese vernichtenden Beweise gefunden?« wollte Seregil wissen.
»Das ist ein interessanter Umstand«, sagte Nysander freudlos lächelnd. »Alles war unter den Bodenbohlen in Teukros’ Schlafgemach verborgen.«
»Die Bodenbohlen«, stieß Seregil angewidert aus. »Bilairys Fischschwanz! Selbst der dümmste Dieb kennt dieses Versteck. Genausogut kann man es öffentlich bekanntgeben! Das macht doch alles keinen Sinn. Barien hatte zwar Zugriff auf das königliche Siegel, aber es ist absurd anzunehmen, daß er es einem solchen Tölpel überlassen hat.«
»Du sagtest selbst, daß er eine Schwäche für seinen Neffen hatte«, erinnerte ihn Alec.
Seregil preßte einen Finger auf Bariens Brief. »Ein Mann, der kaltblütig einen Abschiedsbrief fälscht, wäre niemals so leichtsinnig. Glaube mir, dahinter steckt mehr, als es den Anschein hat.«
Die vier schwiegen eine Weile und ließen sich den scheinbaren Widerspruch durch den Kopf gehen.
»Was ist mit den Dienern, die wir verfolgten?« fragte Alec schließlich.
»Was soll mit ihnen sein?« murmelte Seregil und musterte dabei nach wie vor mit finsterem Blick den Brief.
»Nun, über das Mädchen weiß ich nichts, aber dieser Diener von Teukros wußte vermutlich, wo er die Papiere abzuliefern hatte. Er bot an, dorthin zu gehen, erinnert ihr euch? Aber Teukros lehnte ab und sagte, er wolle es selbst erledigen.«
Die anderen starrten ihn einen Augenblick an, dann tauschten sie verdrießliche Blicke aus.
»Beim Licht, warum haben wir einen
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