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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Großherzigkeit.
    Die alte Frau tätschelte seinen Arm. »Das brauchst du auch nicht«, erwiderte sie mit schwerem mycenischen Akzent. »Der Schöpfer sieht jede gute Tat.«
     
    Das sanft hügelige Land neigte sich nun auf Alecs Weg nach Westen, nach Keston. Am folgenden Nachmittag wurde die Gegend flacher.
    Der Wind trug hier einen fremden Geruch mit sich. Es roch nach Wasser, anders jedoch, als Alec es kannte. Die Möwen waren größer als die kleinen Schwarzkopfmöwen am Schwarzwassersee. Diese Vögel hatten lange, gelbe Schnäbel und graue Flügel mit schwarzen Spitzen.
    Sie flogen in großen Schwärmen über leere Felder und Abfallhaufen.
    Alec hielt den Wagen auf einer kleinen Erhebung an. Beeindruckt starrte er auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Vor ihm breitete sich eine gigantische Wasserfläche aus. Das mußte das Meer sein. Die Sonne stand nun tief am Himmel, und das erste Gold des Sonnenuntergangs ruhte auf dem silbergrünen Wasser wie ein glitzerndes Band. Einige kleine Inseln lagen aneinandergereiht vor der Küste. Manche trugen dunkle Bäume, andere waren kaum mehr als nackte Felsen, die aus dem Wasser ragten.
    Von hier aus verlief die Straße parallel zur Küste und endete an einer Stadt, die in eine große Bucht gebettet lag.
    »Du stammst gewiß aus dem Inland.«
    Ein alter Kesselflicker hatte sich dem Karren genähert. Der krummbeinige Alte trug schwer an seiner Ware, die er mit sich schleppte. Was Alec unter der breiten Krempe des verbeulten Schlapphutes sehen konnte, war dunkel und voller Stoppeln und Staub.
    »Du siehst aus wie einer aus dem Inland, der zum erstenmal das Meer sieht«, bemerkte der Alte mit einem kurzen, rostigen Lachen.
    »So etwas Großes habe ich nie zuvor gesehen!«
    »Es ist sogar noch größer, wenn man mitten drauf ist«, sagte der Kesselflicker. »Als ich jung war, fuhr ich zur See, bis ein Hai mein Bein verspeiste.«
    Er schlug den staubigen Mantel zur Seite und zeigte Alec das Holzbein, das er am Stumpen seines linken Beines trug. Es war in der Form eines Beines geschnitzt und endete in einem Holzschuh, der zu dem am anderen Fuß paßte.
    »Wenn ich den ganzen Tag umherziehe, weiß ich nicht, welches Bein mir mehr weh tut. Kannst du mich in die Stadt mitnehmen?«
    »Steig auf.« Alec reicht ihm eine Hand.
    »Herzlichen Dank. Hannock von Brithia zu deinen Diensten«, stellte sich der Kesselflicker vor und nahm auf der Bank Platz. Einen Augenblick lang herrschte erwartungsvolles Schweigen.
    »Aren Silberblatt.« Alec fühlte sich etwas albern dabei, dem Alten einen falschen Namen zu nennen, aber es war ihm fast schon zur Gewohnheit geworden.
    Hannock berührte die Hutkrempe mit dem Finger. »Erfreut, dich kennenzulernen, Aren. Was ist mit deinem Freund da hinten geschehen?«
    »Er hatte einen schlimmen Sturz«, log Alec rasch. »Kennst du dich aus in Keston?«
    »Das kann ich wohl behaupten. Was möchtest du denn wissen?«
    »Ich muß diesen Karren verkaufen und ein Schiff finden, das nach Rhíminee fährt.«
    »Rhíminee?« Hannock rieb sich das stoppelige Kinn. »Beim Alten Seemann, du mußt schon verdammtes Glück haben, wenn du um diese Jahreszeit noch ein Schiff findest, das nach Rhíminee fährt. Es wird auch nicht billig sein. Vermutlich kostet es mehr, als dir der Verkauf des Ponys und des Karrens einbringen wird. Gräme dich nicht, Junge. Ich habe in jedem Hafen einen oder zwei Freunde. Überlaß es nur dem alten Hannock.«
    Alec schätzte sich bald glücklich, den Kesselflicker kennengelernt zu haben. Denn Keston war ein betriebsamer Ort mit vielen Straßen, die ohne erkennbares System angeordnet waren. Die Gassen, durch die Hannock ihn dirigierte, waren wenig mehr als breite Wege zwischen Häusern, die Seite an Seite mit Lagerhallen und Tavernen standen. Seemänner zogen, zumeist gut gelaunt, in Gruppen durch die Gassen, Liederfetzen und Flüche ertönten aus allen Richtungen.
    »Ja, ja, ich habe immer noch einen oder zwei Freunde in den Häfen«, sagte Hannock, als sie an den Docks anlangten. »Ich werde mich ein wenig umhören, wir treffen uns am Roten Rad. Siehst du das Zeichen dort? Zwei Häuser weiter, am nächsten Lager, findest du einen Bierkutscher namens Gesher. Er wird dir den Karren vermutlich abkaufen. Es kann auch nicht schaden, wenn du beim Handeln meinen Namen erwähnst.«
    Im wesentlichen unbeeindruckt von Alecs Referenz, ließ Gesher einen kritischen Blick über den Karren, das erschöpfte Pferd und den nicht weniger müden Fahrer

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