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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Sedrish, als er nach oben sah.
    »Sind das Sterne?« fragte er verwundert. Der schmale Streifen Himmel, der zu sehen war trug helle Lichtpunkte.
    »Das sind die hohen Wände, die das Sonnenlicht nicht einlassen. Als Junge fiel ich einmal in einen Brunnen, dort sah es genauso aus. Nur zur Mittagszeit ist es leidlich hell hier.«
    Zu beiden Seiten ragten die Felsen auf und schienen sich über das Schiff zu beugen.
    Hier und dort stürzten kleine Wasserfälle die steinernen Wände hinab.
    An manchen Stellen war die Oberfläche des Steins glatt wie Glas, so daß man sich spiegeln konnte. Alec war verblüfft.
    »Das kommt von der Kraft der Magie«, erklärte Sedrish. »An manchen Stellen ist es spiegelglatt, wie hier, dann wieder, wie dort drüben, ist der Stein geschmolzen wie das Wachs einer Kerze. Ich hätte keinen großen Wert darauf gelegt, hier drinnen zu sein, als die Magier den Stein durchbrachen, das kann ich dir sagen!«
    Sie hatten eine ruhige Passage. Die Enge des Raumes um sie schien jedes Flüstern und alle Geräusche des Schiffes zurückzuwerfen, und selbst Biny schien beeindruckt davon. »Hälfte der Strecke in Sicht, Kapitän!« Der Ruf wurde in rasch aufeinanderfolgenden Echos von den Wänden zurückgeworfen.
    Als Alec sich noch fragte, wie jemand an einem solchen Ort eine Entfernung schätzen konnte, entdeckte er etwas Weißes voraus an der Wand zur Rechten. Als sie näher kamen, erkannte er eine riesige Statue aus weißem Marmor in einer flachen Nische in der Wand. Die Statue leuchtete wie eine blasse Laterne in der Düsternis.
    »Wer ist das?« fragte Alec.
    »Königin Tamír die Zweite.« Sedrish erwies seinen Respekt, indem er die Hand zum Gruß an die Stirn legte. »Skala hatte gute Königinnen und schlechte, aber Tamír war eine der besten. Selbst die Barden können das Leben, das sie führte, kaum noch besser besingen, als es in Wirklichkeit war.«
    Alec betrachtete die Statue genau, als sie vorbeifuhren. Der Bildhauer hatte die Königin gestaltet, als schritte sie durch den Wind, das lange Haar wurde vom unsichtbaren Luftstrom getragen, und das Gewand umspielte die zarten Rundungen ihrer Gestalt. Den Großteil ihrer linken Seite verbarg ein ovaler Schild, und in ihrer Rechten hielt sie ein Schwert – den vorbeiziehenden Schiffen zum Gruß.
    Ihr Gesicht war weder außergewöhnlich schön noch schlicht, aber der Stolz in ihrem Blick hatte die Jahrhunderte überdauert.
    »Nachdem die Plenimaraner die alte, östliche Hauptstadt Ero zerstört hatten, sammelte sie die Überlebenden, brachte sie auf die andere Seite und ließ den Kanal bauen«, fuhr Sedrish fort und zündete sich an einer Laterne seine Pfeife an. »Das ist gewiß schon sechshundert Jahre her. Ja, man sagt, daß sie sich durch nichts aufhalten ließ. Sie war in den Bergen als Junge aufgewachsen, da ihr Onkel sich des Thrones bemächtigt hatte. Daraus konnte nichts Gutes erwachsen; das brachte auch Ero den Untergang. Als er in der Schlacht erschlagen wurde, trat dieser Neffe vor und sagte: ›Mit Verlaub, ich bin ein Mädchen.‹ Ihr Onkel hatte den Großteil der Verwandtschaft töten lassen, daher wurde sie auf der Stelle gekrönt. Während ihrer Regentschaft schlug sie die Plenimaraner zurück, war auf See verschollen und kehrte ein Jahr darauf zurück, übernahm wieder den Thron und regierte, bis sie eine alte Frau war. Sie war eine Persönlichkeit. Man sagt, Königin Idrilain sei ihr sehr ähnlich.«
     
    Als sie den Kanal am westlichen Ende verließen und in osiatische Gewässer segelten, bemühte sich Alec, die Spitzen der Pfeiler zu beiden Seiten des Einganges zu sehen. Er erkannte das Bildnis Dalnas, ein Ährenbund, der von einer Schlange gehalten wurde. Die andere, ein zusammengerollter Drache, gekrönt von einem Halbmond, mußte das Zeichen Illiors sein.
    Die Schwertwal wandte sich südwärts, die Küste hinunter mit gutem Wind im Rücken. Die winterliche See schien wie polierter Stahl im Sonnenlicht des späten Nachmittages.
    Steile Felsinseln aller Größen säumten die Küste, sie erhoben sich aus dem Wasser wie Burgruinen. Einige trugen Fichten- oder Eichenwälder, manche hatten Häfen und waren von Fischern bewohnt. Einige Handelsschiffe befuhren diese Route, und Talrien unterhielt sich mit ihnen über ein Sprachrohr.
    Die Osiat-See hatte mehr zu bieten als Handelsfahrer. Alec entdeckte bald den ersten Delphinschwarm. Er beugte sich über die Reling und beobachtete Dutzende der flinken Schwimmer, die einige Meilen das

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