Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
auffällige Erscheinung. Wie dem auch sei, wir äh, wir – wir durchsuchten ihre Zimmer an jenem Abend.«
Nysander ließ ein kurzes Lachen vernehmen. »Das hoffe ich doch. Und was habt ihr dabei erfahren?«
»Wir fanden die …«
Nysander hob abwehrend die Hand, dann deutete er fragend auf Seregils Brust.
Alec nickte.
»Dann müssen wir später darüber sprechen«, warnte der Zauberer. »Sag mir jedoch alles andere.«
»Nun, ich hielt die meiste Zeit Wache, während Seregil die Zimmer durchsuchte. Er fand einige Karten. Später, als wir Wolde verlassen hatten, sprach er mit Micum Cavish darüber. Einige Orte waren dort markiert, Städte in den Nordländern. Micum machte sich auf den Weg dorthin. Mehr weiß ich leider nicht darüber. Seregil wird Euch den Rest erzählen müssen.«
Laß uns hoffen, daß er dazu imstande sein wird, dachte Nysander.
Sein Gesichtsausdruck mußte ihn verraten haben, denn Alec rief plötzlich aus. »Ihr könnt ihm doch helfen, nicht wahr? Er sagte, Ihr wärt der einzige, der es könnte!«
Nysander klopfte beruhigend auf Alecs Hand. »Ich weiß, was getan werden muß, lieber Junge. Erzähl jetzt weiter. Was geschah danach?«
Nysander genoß sichtlich Alecs Beschreibung ihrer hastigen Flucht aus Wolde, wurde aber ernst, als er zu erzählen versuchte, wie Seregil an Bord der Pfeil erkrankte, und über die Reise sprach, die darauf folgte.
»Hat er während dieser Zeit nie darüber gesprochen, was er in Wolde entdeckte, oder über diese Männer?«
»Nein, Seregil wollte mir nichts darüber sagen, nachdem wir die Stadt verlassen hatten. Er meinte, es wäre sicherer, wenn ich über manche Dinge nichts wüßte.«
Nysander betrachtete Alec nachdenklich; selbst bei einem so jungen Menschen war es ungewöhnlich, so unbedingtes Vertrauen zu finden – falls es Vertrauen war. Nysander kannte zwar Seregils Überredungskunst, aber trotzdem fragte er sich, warum Alec ihm so weit gefolgt war, durch so viele Prüfungen zu ihm gehalten hatte, ohne mehr dafür zu erhalten als einige Geschichten und ein paar leere Versprechen.
Nein, dachte Nysander, es mußte Vertrauen sein, und er hatte keine Zweifel an Alecs Loyalität, aber hier war noch etwas anderes im Spiel.
Seregil hätte niemals einen grünen Jungen in diesen Einbruch in Wolde verwickelt, wenn er nicht etwas in Alecs Charakter gesehen hätte, das für Nysander im Dunkeln lag. Schüler, also wirklich!
Alec rutschte nervös auf seinem Sitz herum. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, nein«, Nysander lächelte. »Ich bin nur einen Augenblick meinen eigenen Gedanken nachgegangen, das geschieht bei uns Magiern nicht selten. Seregil und Micum arbeiteten beide für mich, als du sie trafst. Bei Gelegenheit werde ich dir erklären, was das bedeutet.«
Obwohl Seregils Zustand ihm schwere Sorgen bereitete, mußte Alec doch hin und wieder einen Blick aus dem Fenster werfen. Karren, Pferde, Sänften und Fußgänger jeglicher Art waren unterwegs. Die Straße, die zur Burg hinaufführte, war zu beiden Seiten von einer Mauer eingefaßt, und die Steine schienen die Geräusche zu sammeln und zu verstärken. Die Straße endete am breiten, äußeren Tor der Stadt. Ein halbes Dutzend Wächter in blauer Uniform mit Schwertern und Piken war dort postiert, aber der Verkehr konnte ungehindert passieren. Als sie das Tor hinter sich gelassen hatten, fuhren sie langsamer, denn sie mußten das Vorwerk durchqueren. Dann fuhren sie durch den Bogen eines zweiten Tores, dessen Giebel ein Fischrelief zierte. Dahinter lag der größte Marktplatz, den Alec je gesehen hatte.
Der gepflasterte Platz erstreckte sich nach allen Seiten hin, dicht standen hier Hunderte von hölzernen Verkaufsständen. Die bunten Vordächer flatterten im kräftigen Seewind. Durch die Mitte des Platzes führte ein breiter Weg, um den Verkehr passieren zu lassen. Von ihm zweigten kleine Gassen ab, die sich im Gewühl der Buden verloren.
Von allen Seiten drang das Gewirr von Geräuschen der Stadt an sie heran; Schreie von Menschen und Tieren, das Klopfen der Handwerker und das Rattern der Karren, die in einem steten Strom in beiden Richtungen über die Straße rumpelten. Hohe, weiß getünchte Bauten säumten den Platz, manche waren über fünf Stockwerke hoch. Überall, wohin er auch sah, waren Menschen.
Sie fuhren weiter durch das Labyrinth der Straßen und Siedlungen, die sich über die Hügel erstreckten. Bauten aller Art erhoben sich hier. Manche waren sogar durch Übergänge
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