Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
keiner Weise geschadet. Habt Ihr Lust, derlei Dinge bei einem kleinen Abendessen ein wenig ausführlicher zu bereden?«
»Es wäre mir eine Ehre, Herr«, erwiderte Rythel eine Spur zu eifrig.
»Habt Ihr einen besonderen Ort im Sinn?«
Rythel zuckte mit den Schultern. »Nein, Herr. Ich habe für heute nacht noch keine Pläne.«
Verdammt, dachte Seregil. Sieht so aus, als würden wir die Nacht mit dem Versuch verbringen, einander unter den Tisch zu trinken und Geheimnisse zu entlocken.
Als Seregil in den Jungen Hahn zurückkehrte, brach bereits ein klirrend kalter, klarer Morgen an. Alec schlief auf dem Sofa, die Beine den Überresten eines Feuers zugestreckt. Ruckartig erwachte er, als sich Seregil müde neben ihn plumpsen ließ.
»Und, wie ist es gelaufen?«
Seregil zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Er ist zwar nicht der Welt bester Spion, aber er weiß, wie man die Klappe hält. Den Großteil der Nacht haben wir damit zugebracht, in der Rose zu trinken, dann beschloß er, daß er Lust auf eine Frau hätte. Ich hoffte, daß er vielleicht jemanden in einem Bordell treffen müßte, aber statt dessen wollte er das erstbeste Paar Straßendirnen aufgabeln, das uns über den Weg lief. Schließlich hat er sich doch dazu überreden lassen, in die Schwarze Feder zu gehen.«
»Die Feder? Das ist aber ein ziemlicher Abstieg im Vergleich zu Eiruals Haus.«
»Das gleiche habe ich auch gedacht. Entweder ist er meinetwegen dorthin ausgewichen, oder aber seine Mittel schwanken von Woche zu Woche beträchtlich. Darauf sollten wir ein Auge haben. Jedenfalls haben wir uns vor ein paar Stunden getrennt. Danach bin ich ihm in die Segelmacherstraße gefolgt, aber er ist nicht wieder weggegangen.«
»Klingt nach einer vergeudeten Nacht.«
»Was die Sache mit der Kloake angeht schon. Trotzdem kann man unmöglich die ganze Nacht saufend und hurend mit einem Menschen verbringen, ohne wenigstens etwas über ihn zu erfahren. Er gibt sich als wohlhabender Händler aus, und um ganz ehrlich zu sein, er spielt die Rolle so gut, daß ich mich frage, ob nicht ein Teil davon wahr ist. Meiner Ansicht nach ist er in Skala geboren und hat so etwas in kleinem Rahmen schon einmal gemacht – ein Schmalspurspion. Die Plenimaraner wissen genau, wie man solche Kerle aufspürt und benutzt.«
Süßsauer grinste Alec ihn an. »So wie du.«
»In diesem Fall ist es noch zu früh, um das zu behaupten.« Erschöpft streckte sich Seregil. Nach der Nacht in der Feder fühlte er sich schmutzig und sehnte sich nach einem Bad. »Obwohl Lord Seregil ihn zweifellos schwer beeindruckt hat. Ich mußte ihm nur ein paar Einzelheiten über die Freibeuterei erzählen, schon war er mein Busenfreund. Ein paar Gerüchte habe ich auch zum besten gegeben; ich bin schon gespannt darauf, wo sie später überall auftauchen. Wie ist es dir ergangen?«
Alec zog eine flachgedrückte Pergamentrolle aus dem Kittel und schwenkte sie triumphierend. Dann ging er damit zum Tisch, breitete sie aus und beschwerte die Ecken mit Büchern. Als er die Hand ausstreckte, um eine Ecke zu befestigen, sah Seregil einen Riß im linken Ärmel, der blutbefleckt wirkte.
»Was ist denn passiert?«
Ohne ihn anzusehen, zuckte Alec mit den Schultern. »Nichts von Bedeutung.«
»Nichts von Bedeutung?« Er ergriff die Hand seines Freundes und schob den aufgerissenen Ärmel zurück. Ein unbeholfen angelegter Verband umgab den Unterarm des Jungen; ein runder Fleck geronnenen Blutes in der Größe einer Münze prangte darauf. »Nichts von Bedeutung blutet aber für gewöhnlich nicht so stark.«
»Das ist nur ein Kratzer«, beharrte Alec.
Ungeachtet Alecs Widerspruch zog Seregil den Dolch und kappte den Verband. Eine glücklicherweise nicht tiefe, gezackte Schnittwunde erstreckte sich von wenig unterhalb des Ellbogens bis gefährlich nahe zu den empfindlichen Sehnen am Handgelenk.
»Bei Illiors Fingern, mit einem solchen Schnitt kannst du dir eine Blutvergiftung holen!« entfuhr es ihm, während er nach einer Flasche Branntwein griff, um die Wunde zu säubern. »Wie ist das passiert?«
»Ich bin ausgerutscht, als ich über das Dach zu seinem Fenster schlich«, gestand Alec und seufzte widerwillig. »Ich dachte, das wäre der sicherste Weg hinein, aber es war ein wenig steiler, als ich erwartet hatte, außerdem waren die Schindeln ziemlich rutschig …«
»Hast du schon mal was von einem Seil gehört?«
»Als mir eingefallen ist, daß ich eines brauchen
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