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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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weshalb sie sich ausgerechnet jetzt zeigen sollte. Andererseits könnte der Traum durchaus lediglich das sein, was er zu sein scheint. Alec ist Bogenschütze. Gäbe es für ihn ein deutlicheres Symbol der Hilflosigkeit als einen nutzlosen Pfeil?«
    »Das habe ich mir auch einzureden versucht. Wir beide wissen, wer dieser Verzehrer des Todes ist; ich bin schon zweimal mit dieser dunklen Macht in Berührung gekommen und hatte beide Male verdammtes Glück, nicht das Leben und den Verstand zu verlieren. Deshalb möchte ich gerne glauben, daß Alec nicht in dieses Netz hineingezogen wird, aber ich fürchte, es ist doch so und der Traum soll genau das bedeuten. Das glaubst du doch auch, oder?«
    »Und was erwartest du jetzt von mir?« fragte Nysander ein wenig verbittert. »Wenn wir es hier mit einer wahren Prophezeiung zu tun haben, dann geschieht, was geschehen muß, ob uns das nun gefällt oder nicht.«
    »Wahre Prophezeiung, wie? Schicksal, meinst du wohl«, gab Seregil mit finsterer Miene zurück. »Warum träumt man dann überhaupt? Was hat es für einen Sinn, vor etwas gewarnt zu werden, wenn man doch nichts tun kann, um ihm aus dem Weg zu gehen?«
    »Einem Problem aus dem Weg zu gehen ist selten der beste Weg, es zu lösen.«
    »Bringt es vielleicht etwas, den Kopf in den Hintern zu stecken und herumzuhocken, bis einem der Himmel auf den Schädel fällt!?«
    »Wohl kaum, aber ein erkannter Feind ist nur ein halber Feind, nicht wahr?«
    »Was für einen Feind haben wir denn erkannt?« fragte Seregil zunehmend zornig, während sich eine nur allzu vertraute Verschlossenheit in die Züge des Magiers schlich. »Na schön, du hütest nach wie vor ein entsetzliches Geheimnis, aber mir scheint, die Götter selbst geben uns Hinweise. Wenn du der Hüter bist, was du bereits zugegeben hast, und wenn Alec, unser Bogenschütze, der Schaft ist, bin ich dann die Vorhut?« Er setzte ab und überlegte, ob der Titel auf ihn zutreffen mochte, doch das Gefühl tiefster Überzeugung, das er in bezug auf Alecs Rolle als Schaft hatte, blieb aus. »Vorhut, das ist jemand, der vor der Schlacht herzieht, der vorausgeht – nein, irgendwie paßt das nicht zu mir. Außerdem hätte mir das Orakel wohl kaum geraten, mich selbst zu beschützen. Warum hat es mir dann überhaupt etwas erzählt, es sei denn …«
    »Seregil, bitte …«
    »Es sei denn, zu der Prophezeiung gehört eine vierte Gestalt!« rief Seregil aus und schritt aufgeregt zwischen dem Kamin und der Tür auf und ab, während sich in seinem Kopf eine Unzahl von Möglichkeiten herauskristallisierte. »Natürlich. Vier ist die heilige Zahl der Unsterblichen, die sich dem Verzehrer des Todes in den Weg stellen, also …« Nun setzte die innere Überzeugung ein. Egal, was Nysander antworten würde, er wußte, daß er auf der richtigen Fährte war. »Bei Illiors Licht, Nysander! Das Orakel hätte nicht so mit mir geredet, gäbe es dafür keinen Grund – keine Rolle, die ich zu spielen hätte.«
    Nysander starrte eine Weile auf seine gefalteten Hände und schien mit einer inneren Stimme Zwiesprache zu halten. Dann holte er tief Luft und erklärte ruhig: »Du bist der Führer, der Ungesehene. Ich habe es dir aus zwei Gründen nicht früher gesagt.«
    »Und die wären?«
    »Zum einen, weil ich gehofft hatte – und eigentlich noch immer hoffe –, daß es keine Rolle spielen wird. Und zum anderen, weil ich darüber hinaus gar nichts weiß. Keiner der Hüter wußte je etwas darüber.«
    »Was ist mit der Vorhut?«
    »Das ist höchstwahrscheinlich Micum, weil auch er mit diesen Ereignissen in Berührung gekommen ist. In Illiors Namen, Seregil, hör auf, herumzulaufen wie ein aufgescheuchtes Huhn und setz dich hin.«
    Seregil blieb an den Bücherregalen stehen. »Was soll das heißen, du hoffst, daß es keine Rolle spielen wird?«
    Nysander schloß die Augen und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. »So wie es andere Hüter gab, gab es auch andere Schäfte und andere Führer. Es ist, als wechselten sie mit jeder Generation, ständig bereit, falls …«
    »Falls was?«
    »Das darf ich dir nicht sagen. Ich gestehe, ich klammere mich immer noch an die Hoffnung, daß es vielleicht gar nicht zu diesem unsagbar Bösen kommt. Vorerst muß ich mein Geheimnis weiterhin hüten wie bisher. Da du schon so viel erraten hast, kann ich dir anvertrauen, daß die vier Gestalten der Prophezeiung den Hütern stets bekannt waren; ihre Funktionen hingegen wurden nie offenbart. Aber wenn du der

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