Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
wolkenlosen Morgenhimmel ab, als Seregil und Alec darauf zuritten. Innerhalb der Schutzmauern des Geländes umfing sie der Duft frischer Kräuter und blühender Pflanzen und versprach einen Frühling, der auch in der Welt draußen nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Nysander und Thero hatten noch andere Gäste zum Frühstück. Die Zentauren, Hwerlu und seine Gefährtin Feeya, hatten sich irgendwie einen Weg durch den Irrgarten der Treppen und Gänge gebahnt, ganz zu schweigen von den zahlreichen Türen, die nicht für Wesen der Größe mächtiger Zugpferde gedacht waren. Auch Magyana war da. Sie saß an der Ecke des Tisches und hatte die Beine auf einen Stuhl neben Feeya ausgestreckt.
»Was für eine angenehme Überraschung!« rief Nysander aus und schob eine weitere Bank an den Arbeitstisch, auf dem ein hastig gedecktes Frühstück bereitstand. Größtenteils handelte es sich um die üblichen Dinge – Butter und Käse, Honig, Haferplätzchen, Tee – sowie einen großen Teller Früchte. Aus Achtung vor den Zentauren war diesmal auf das ansonsten alltägliche Frühstücksfleisch verzichtet worden. Der Zauberer warf Seregil unter den buschigen Brauen einen bedeutungsvollen Blick zu und meinte: »Ich hoffe, das ist ein Freundschaftsbesuch.«
»Mehr oder weniger«, erwiderte Seregil und häufte sich einen Teller mit ungesäuertem Brot und Früchten an. »Alec fühlt sich ein bißchen verloren bei dem Gedanken, ein paar zusätzliche Jahrhunderte auf Erden zu wandeln. Ich dachte, ihr Magier könntet ihm hilfreiches Geleit bieten, da euch diese Erkenntnis ja ebenso überraschend trifft.«
»Also hast du es ihm endlich erzählt«, stellte Magyana fest und umarmte Alec. »War auch allerhöchste Zeit.«
Hwerlu ließ ein verwundertes Schnauben vernehmen. »Erst jetzt weißt du es?« Er sagte in der Flüstersprache der Zentauren etwas zu Feeya, woraufhin sie den Kopf schüttelte.
Lächelnd drehte sich Hwerlu Alec zu. »Wir haben es gleich am ersten Tag gesehen, als du hierhergekommen bist, aber Seregil sagte, wir sollen dir nichts erzählen. Warum?«
»Wahrscheinlich wollte er, daß ich mich zuerst an ihn gewöhne«, erwiderte Alec und schleuderte Seregil einen süßsauren Blick zu.
»Also das, glaube ich, dauert sehr lange«, warf Thero ein.
»Und dennoch, so wie die Dinge sich entwickelt haben, bin ich inzwischen der Meinung, daß es recht weise von Seregil war, damit zu warten«, meldete Nysander sich zu Wort. »Du bleibst doch nicht nur aus einem Gefühl der Verpflichtung oder Angst heraus bei ihm, oder Alec?«
»Natürlich nicht. Aber der Gedanke, ich könnte von jetzt an noch drei oder vier Jahrhunderte hier hocken …« Er starrte auf seinen Teller und schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«
»Manchmal empfinde selbst ich immer noch so«, sagte Thero.
Verblüfft schaute Seregil den jungen Magier an. In all der Zeit, die er ihn schon kannte, hatte er noch nie gehört, daß Thero persönliche Gefühle preisgab.
»Vermutet habe ich es schon, als ich noch ein Kind war«, fuhr Thero fort. »Trotzdem war es ein gewaltiger Schlag, als ich es bestätigt bekam, nachdem die Zauberer mich untersucht hatten. Aber stell dir nur vor, was wir in unserem Leben alles erfahren werden – die Jahre des Lernens, der Entdeckungen.«
Heute verhält er sich ja geradezu menschlich, dachte Seregil und musterte die Züge seines Rivalen mit neu entflammtem Interesse.
»Ich habe es dir wirklich lausig beigebracht«, gestand er Alec. »In jener Nacht war ich selbst ein wenig aufgewühlt, nachdem ich Adzriel gesehen hatte. Aber was Thero sagt, stimmt. Genau das hat meine geistige Gesundheit erhalten, nachdem ich Aurënen verlassen hatte. Ein langes Leben ist ein Geschenk für jemanden, der gerne forscht und neugierig ist. Und ich glaube kaum, daß es dir an diesen Eigenschaften je mangeln wird.«
Nysander kicherte. »Beileibe nicht. Wie du weißt, Alec, wandle ich seit über zwei Jahrhunderten auf Erden, lerne und forsche, und nach wie vor erfüllt mich die befriedigende Gewißheit, daß es, selbst wenn ich weitere zweihundert Jahre leben sollte, immer wieder neue Dinge zu erfahren geben wird. Magyana und ich sind weit mehr in der Welt herumgekommen als die meisten Magier, und genau wie Seregil mußten auch wir mitansehen, wie zahlreiche Freunde gealtert und gestorben sind. Es wäre gelogen zu behaupten, das wäre nicht schmerzlich, aber jede dieser Freundschaften, egal wie kurz, stellt ein
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