Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
bis die Welt aufhörte, sich um ihn zu drehen. Er schmeckte Blut im Mund und spuckte mehrmals aus, um den übelkeitserregenden, metallischen Geschmack loszuwerden.
Vermutlich mußte er noch dankbar für die Feigheit der Frau sein. Zwar hatte sie sein Pferd gestohlen, dafür aber seine Geldbörse, seine Waffen und, was das anging, auch sein Leben verschont. Dabei hätte sie reichlich Gelegenheit gehabt, ihm ein Messer in den Leib zu rammen.
In der Hoffnung, wenigstens bereits die Hälfte der Strecke zu Warniks Dorf zurückgelegt zu haben, machte er sich zu Fuß wieder auf den Weg.
Der Pfad erwies sich auf dieser Seite des Passes als genauso miserabel wie auf der anderen, aber das Gefälle gestaltete den Marsch einigermaßen leicht. Als er an einen Bach kam, stapfte er hinein, um den ärgsten Schmutz abzuwaschen. Seine Kleider waren zwar rettungslos verdreckt, doch es war schon eine Erleichterung, wenigstens einen Teil des Blutes abzuspülen. Immer noch schmeckte er es am Gaumen, und als er sich daran erinnerte, wie es auf ihn herabgesprudelt war, mußte er plötzlich würgen.
Eine viel dringendere Sorge jedoch erschien ihm, ob die Frau des Banditen womöglich beschließen würde, umzukehren und einen neuerlichen Angriff zu wagen, sei es aus einem verspäteten Wunsch nach Rache oder aus Gier nach seiner Geldbörse. Alec watete aus dem Bach und ließ den Blick mit neuer Wachsamkeit über die Umgebung wandern. Dichtes Unterholz prangte zu beiden Seiten des Pfades und bot unzählige Gelegenheiten für einen Hinterhalt. Der Sturm wütete unvermindert und leistete der frühabendlichen Dämmerung Vorschub, indem er schwere Nebelschlieren herbeiblies, die sich unter dem verästelten Baldachin festsetzten.
Seregil sah sich gezwungen, seine Flucht hinauszuzögern. Kurz nachdem die Patrouille der Stadtwache ihn aufgegriffen hatte, kamen sie zum Ostring, um die dort befindlichen Baracken dem Erdboden gleichzumachen. Selbst wenn ihm die Flucht gelang, konnte er nirgendwohin.
Andere Blaumäntel waren bereits an der Arbeit, rissen die Bruchbuden ein und stapelten den Holzschutt auf Karren, um den Ring zu säubern, so daß er seinem Kriegszweck als Kampfzone zwischen den inneren und den äußeren Mauern der Stadt dienen konnte. Auch die über die ganze Stadt verstreuten Marktplätze und Ringstraßen würden aus ähnlichen Gründen geräumt werden. Ungeachtet der Größe und Pracht der Stadt war Rhíminee in erster Linie als leicht verteidigbare Zitadelle errichtet worden. Die meisten Bewohner der Barackensiedlung, die der sechste Sinn jedes Stadtstreichers vor drohendem Unheil gewarnt hatte, hatten bereits das Weite gesucht. Diejenigen, die geblieben waren, wurden zusammengetrieben und sortiert. Krüppel und Mütter mit kleinen Kindern durften in der Stadt bleiben, ebenso jeder, der gesund und willens war, sich seinen Unterhalt durch ehrliche Arbeit zu verdienen oder zu kämpfen. Vaterlandsvergessene Tunichtgute würden sich allein auf dem Land durchschlagen müssen.
Gegen Mittag war der Karren voll, und die Patrouille machte sich durch den Ostbezirk auf den Rückweg. Seregil stand hinten an der Ladeklappe und gab sich weiterhin mißmutig und verwirrt, bis er eine vertraute Straßenecke erspähte.
Seregil überraschte die drei Blaumäntel, die hinter dem Karren herritten, indem er unvermittelt über die Seite sprang, hakenschlagend zwischen ihren Pferden hindurchpreschte und die Straße entlang davonhetzte. Seine Mitgefangenen hinter ihm jubelten und trieben ihn mit erfreutem Gejohle und Pfiffen an.
Zwei der Wachen wirbelten die Pferde herum und jagten ihm nach, doch Seregil hatte den Zeitpunkt sorgfältig gewählt. Er rannte zurück zu der ihm vertrauten Straße und raste um die Ecke.
Es war eher eine Gasse als eine Straße, die keine Seitenwege aufwies und an deren hinterem Ende eine hohe Holzbarrikade aufragte. Ohne langsamer zu werden, sprang Seregil daran hoch, fand mit Händen und Füßen Halt und kletterte in dem Augenblick darüber, als die wutentbrannten Wachen herandonnerten.
Auf der anderen Seite mündete eine weitere Seitengasse in eine breitere Straße. Die Blaumäntel kannten diesen Teil der Stadt fast genausogut wie Seregil; er hörte, wie sich von vorne Hufgeklapper näherte, während er rannte. Noch bevor sie ihn erblicken konnten, wich er in einen Seitenweg aus, zwängte sich in den schmalen Spalt zwischen zwei halb verfallenen Häusern und gelangte in einen winzigen, unkrautüberwucherten Hof.
Dort
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