Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
standen zwei Seregil unbekannte Drysier, eine Frau und ein Junge, und sangen leise. Valerius sprach kurz mit ihnen, woraufhin sie sich zurückzogen.
Seregil trat ans Bett und kauerte sich neben Nysander. Der Atem des Zauberers ging so flach, daß er ihn kaum zu hören vermochte.
»Was ist geschehen?« flüsterte er und berührte sanft die Wange des alten Mannes. Sie fühlte sich kalt und feucht wie Lehm an.
»Großer Lärm, wie Donner und Krieg, hallte durch die Nacht«, erklärte Hwerlu und spielte weiter, während er sprach. »Der Krach hat uns in unserem Wäldchen geweckt. Als ich zum Haus gerannt bin, sah ich eine dunkle, riesige Gestalt darüber aufsteigen. Sie verschwand in der Finsternis des Himmels. Ich lief weiter, und drinnen stieß ich auf die Folgen eines solchen Gemetzels …« Die Finger des Zentauren glitten kurz von den Saiten der Harfe ab. »Die Eindringlinge hatten sowohl Schwertkämpfer als auch Zauberer dabei. So viele sind gestorben!«
»Aber wie?« fragte Seregil ungläubig. »Wie konnten sie so zahlreich hier eindringen? Bei Illiors Händen, das ist doch das Orëska-Haus!«
»Durch das Haupttor und anscheinend durch die Abwasserkanäle«, sagte Valerius hinter ihm.
»Durch die Abwasserkanäle? Aber ich dachte, darum hätte man sich gekümmert, nachdem Alec und ich Rythel auf die Schliche gekommen waren.«
»Offenbar haben die Behörden ihr Augenmerk überwiegend auf jene Bereiche gerichtet, über die man zum Palast gelangen kann. Es ist auch durchaus möglich, daß jemand bezahlt wurde, um an der einen oder anderen Stelle wegzusehen. Wie auch immer, jedenfalls ist kurz nachdem der Alarm losging, eine andere Gruppe durch die Gärten hereingestürmt. Wie sie unbemerkt das Gelände betreten konnten, ist ein weiteres Rätsel, aber der Hauptangriff ging anscheinend von den Kellergewölben aus.«
Seregil ließ den Kopf in die Hände sinken. »All die toten Torläufer diesen Winter. Bei den Vieren, hätte ich Rythel früher geschnappt, hätten wir all das vielleicht verhindern können!«
Nysanders Augenlider zuckten schwach.
»Mardus«, flüsterte er kaum vernehmbar. »Es war Mardus; ich habe ihn gesehen, und einen Dyrmagnos, außerdem …«
Die Stimme versagte ihm den Dienst, aber sein Mund bewegte sich weiter. Seregil beugte sich hinab und brachte das Ohr dicht an Nysanders Lippen, um die leisen Worte zu verstehen.
»Verzehrer des Todes.« Die Laute glichen kaum mehr als einem Atemhauch, dennoch waren sie unmißverständlich. Nysander schauderte und schloß die Augen, als eine Woge der Pein über ihn hinwegspülte. Verbissen kämpfte er dagegen an und preßte die Worte Atemzug für Atemzug hervor. »Wo – Alec?«
»Sie haben ihn mitgenommen und mir das hier zurückgelassen.« Seregil kramte den Dolch hervor und hielt ihn hoch, damit Nysander ihn sehen konnte.
Der Zauberer starrte auf die Haarsträhne, dann preßte er jäh die Augen zu, als ihn ein weiterer Schub Schmerzen durchzuckte.
»Es ist nicht deine Schuld.« Die Worte fühlten sich wie Asche in Seregils Mund an. Seine innere Schutzmauer begann zu zerbröckeln; dahinter traten die ersten scharfkantigen Splitter der Wut und des Kummers zutage.
»Es hat begonnen«, hauchte Nysander sichtlich erregt. Er mußte alle noch vorhandene Willenskraft aufwenden, um weiterzusprechen. »An einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit – in Plenimar, unter der Säule des Himmels – Der Tempel – Tempel -«
»Ein Tempel in Plenimar. Wo, Nysander? Verflucht, du mußt mir sagen wo!«
»Synodisch …«, murmelte Nysander bedauernd, bevor ihn wieder tiefe Schwärze umfing.
»Was? Nysander, was soll das heißen?« Seregil drehte sich zu Valerius um. »Kannst du denn gar nichts tun? Alecs Leben könnte davon abhängen!«
Valerius ergriff Seregils Arm und zog ihn vom Bett weg. »Laß ihm ein wenig Zeit. Er muß sich ausruhen, sonst erholt er sich vielleicht nie mehr. Du siehst selber aus, als könntest du ein wenig Fürsorge vertragen. Ich lasse Darbia rufen.«
»Ich brauche nichts«, preßte Seregil zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und streckte sich, um über die Schulter des Drysiers zu schielen, während ihn der größere Mann zur Tür zurückdrängte. »Ich muß wissen, was er gemeint hat! Es könnte ohnehin schon zu spät sein.«
»Wenn er sich jetzt nicht ausruht, kann er dir nie wieder etwas erzählen. Ein paar Stunden, vielleicht weniger. Bleib im Turm, ich komme zu dir, sobald ich hier fertig bin. Und jetzt raus!« Mit
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