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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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einem letzten, wenig freundlichen Stoß schubste der Drysier Seregil auf den Korridor hinaus und warf ihm die Tür vor der Nase zu.
    Mit Alecs Dolch in der geballten Faust verharrte Seregil allein auf dem Gang.
    Während er mit den Fingern über die Haarlocke strich, sprach er halblaut die Worte aus, die er sich im Krankenzimmer verkniffen hatte.
    »Sag, Nysander, kann deine Magie ihn jetzt noch beschützen?«

 
33
Nachwehen
     
     
    Micum spürte Karis runden Bauch, als die beiden einander umarmten. Magyanas Botschaftsschimmer schwebte grünlich leuchtend in einer Ecke des Gästezimmers auf Lord Warniks Anwesen.
    »Es tut mir leid, Liebling, aber irgend etwas ist passiert, und Magyana erwartet mich.« Sanft wischte Micum ihr eine Träne von der Wange. Wie oft hatte ihn schon jemand erwartet, ihn zu sich gerufen? Wie oft hatte sie ihn schon mit diesem gezwungenen, freudlosen Lächeln verabschiedet.
    »Dann geh«, sagte sie knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. »Möge Sakor dich heil zu mir zurückgeleiten.«
    Micum schulterte sein Reisebündel und drehte sich zu dem Schimmer um. »Ich bin bereit.«
    Sogleich erschien ein großer, runder, schwarzer Fleck anstelle des Schimmers. Ein letztes Mal winkte er Kari zu, dann schritt er hinein. Einen Lidschlag später stand er in Nysanders Zauberkammer. Ein paar Schritte entfernt saß Magyana auf einem niedrigen Stuhl; sie wirkte zu Tode erschöpft. Ihre Brokatrobe war schmutzig und blutbefleckt, das lange, silbrige Haar hing ihr wirr über die Schultern.
    »Was ist denn passiert?« fragte Micum erschrocken. Hastig sank er vor ihr auf ein Knie, nahm ihre Hände in die seinen und stellte fest, daß sie eiskalt waren.
    »Letzte Nacht wurde das Orëska-Haus überfallen«, erklärte sie mit bebender Stimme. »Nysander ist schwer verletzt, viele andere sind tot. Ich hätte dich ja schon früher geholt, aber ich mußte mich erst ein wenig erholen. O Micum, es war schrecklich, so schrecklich.«
    »Dann hatten sie also doch recht«, stöhnte er und schloß die alte Frau in die Arme. »Waren es die Plenimaraner?«
    »Angeführt von Herzog Mardus persönlich. Er hatte Totenbeschwörer und einen Dyrmagnos dabei.«
    »Wo ist Seregil? Und Alec?«
    Magyana schüttelte den Kopf. »Wethis wurde losgeschickt, um sie zu holen. Vielleicht sind sie schon da. Komm mit, ich muß nach Nysander sehen.«
    Unten stießen sie auf eine Drysierin, die mit einer Waschschüssel und blutbefleckten Lappen Nysanders Zimmer verließ.
    »Wie geht es ihm?« erkundigte sich Magyana.
    »Unverändert«, antwortete die Frau mitfühlend.
    Valerius bedeckte gerade Nysanders Brust und Seite mit Kompressen, als sie eintraten. Rasch zog der Drysier die Decke wieder über den Zauberer, als Micum sich näherte, dennoch erhaschte er noch einen Blick auf die gräßlichen Verbrennungen. Nysander schien zu schlafen oder bewußtlos zu sein; das Antlitz des Magiers präsentierte sich kreidebleich. Magyana zog einen Stuhl an das Kopfteil des Bettes und legte die Hand auf Nysanders Stirn.
    »Er hat die Natur eines Drachen«, meinte Valerius leise und strich sich gedankenverloren über den wildwuchernden, schwarzen Bart, während er auf den Zauberer hinabschaute. »Wie er kämpft! Wenn ich verhindern kann, daß die Wunden sich entzünden, wird er wieder gesund. Hast du Seregil schon gesehen?«
    »Nein, ich bin gerade erst angekommen. Sind die beiden schon hier? Geht es ihnen gut?«
    Micums Mut sank, als ihm der Drysier eine Hand auf den Arm legte. »Seregil ist vor einer halben Stunde hier hereingestürmt. Bislang hat er nur mit Nysander geredet, aber Alec war nicht bei ihm. Wethis sagt, er habe die Herberge zum Jungen Hahn in Brand gesteckt. So weit ich weiß, hat nur das Kind …«
    »Verdammt!« Micum stürzte auf die Tür zu. »Wo ist er?«
    »Im Wohnzimmer. Wenn du …«
    Micum wartete nicht, um den Satz zu Ende zu hören. Er rannte das kurze Stück den Korridor entlang und fand die Wohnzimmertür offen vor. Seregil stand an den Kaminsims gelehnt; er trug eine Hose und ein Hemd, beides offenbar geliehen. Vor einem Lehnstuhl lagen zahlreiche Karten und Schriftrollen ausgebreitet, als hätte er zuvor dort gesessen und sie durchgesehen. Daneben stand ein Becher Wein auf dem Boden, aber als Seregil aufschaute, erkannte Micum mit einem Blick, daß sein Freund alles andere als betrunken war. Sein bleiches Antlitz wirkte fast ausdruckslos, abgesehen von den Augen.
    Was Micum darin las, jagte ihm einen eiskalten Schauer

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