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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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voll geröstetem Ziegenfleisch aufgetischt wurde, fühlte sich Seregil bereits wohl unter ihnen.
    Gebratene Hachsen, Lendenstücke und Rippchen bildeten auf der Gemeinschaftsplatte einen breiten Ring um gesottene Innereien, Bries und gekochte Ziegenköpfe. Zunächst würden der Gast und der Dorfrat sich ihren Teil nehmen, danach würde das Tablett unter den übrigen Gästen die Runde machen und schließlich den Kindern und Hunden überlassen. Seregil wurde von Seune und ihren ältesten Töchtern bedient.
    Die beiden Mädchen knieten zu seiner Rechten und hielten dunkle Schwarzbrotkanten, die ihre Mutter mit ausgewählten Fleischstücken belud. Höflich nickend, nahm Seregil ein Brotstück entgegen, ergriff einen Fleischbrocken und biß hinein, was für seine Gastgeber als Zeichen galt, mit dem Essen zu beginnen.
    Das zähe, schmackhafte Fleisch beseitigte den letzten Rest von Seregils Übelkeit, und nachdem das Mahl beendet war, bereitete er sich mit feierlichem Gehabe darauf vor, Retak und seinem Dorf Geschenke zu überreichen.
    Seregil bedeutete den Anwesenden, vor ihm einen Platz zu räumen. Dann zupfte er ungesehen eine von Nysanders bemalten Ruten aus dem Ärmel und brach sie zwischen den Fingern, während er mit der anderen Hand geheimnisvoll herumfuchtelte. Sogleich erschienen vor den Augen seiner begeisterten Zuseherschaft mehrere Scheffel Früchte aus dem Nichts.
    Die Körbe machten die Runde und wurden nach oben weitergereicht, während die Leute fröhlich ihr Glück bejubelten.
    Lächelnd zog Seregil eine weitere Rute, die eine Schatulle voller Silbermünzen herbeizauberte. Zwar hatten die Dravnier keine Verwendung für Geld, doch das Glitzern des Metalls und die kunstvollen Prägungen gefielen ihnen. Die weiteren Ruten ließen Ballen glänzender Seide und Leinen, Bronzenadeln, Seilrollen und Heilkräuterbündel erscheinen.
    »Du bist ein sehr großzügiger Hellhäutiger und ein mächtiger Zauberer, Meringil, Sohn von Solun und Nycanthi, und zudem ein wahrer biruk«, verkündete Retak und klopfte Seregil auf die Schulter. »Von diesem Tage an sollst du als Mitglied meiner Sippe gelten. Was dürfen wir dir als Gegenleistung anbieten?«
    »Ich bin es, den eure unvergleichliche Gastfreundschaft in höchstem Maße ehrt. Meine Geschenke sind lediglich mein Dank dafür«, erwiderte Seregil wortgewandt. »Dennoch gäbe es da etwas, wobei ihr mir vielleicht helfen könnt.«
    Retak bedeutete den anderen, aufmerksam zuzuhören. »Was führt dich aus so großer Ferne in unser Dorf?«
    »Ich bin auf der Suche nach einem magischen Ort, der in gewissen Legenden erwähnt wird. Kennt ihr einen solchen Ort?«
    Seregils Frage zeigte sogleich Wirkung. Die Älteren tauschten zögernde Blicke. Eine Frau ließ scheppernd einen Bratspieß fallen. Die Kinder über ihren Köpfen verstummten in ihrem Jubel über die neuen Schätze und beugten sich noch weiter über das Loch, um zu lauschen.
    Retak gab den Versammelten mit seinem Stock ein Zeichen, woraufhin ein greiser, kleiner Mann in einem mit Schafszähnen geschmückten Mantel vortrat. Im Schein des Feuers wirkte er wie eine alte Schildkröte, in deren ledrigem Antlitz die beiden Äuglein sich langsam öffneten und schlossen. Behäbig kniete er sich vor Seregil nieder, hob mit zittriger Hand eine Knochenrassel über den Kopf und schüttelte sie in weitem Bogen, bevor er zu sprechen begann.
    »Ich bin Timan, Sohn von Rogher und Borune«, erklärte er schließlich. »Und ich sage dir, es gibt einen solchen Ort in diesem Tal. Seit der Zorn des Geistes begann, ist es meiner Sippe Pflicht, diesen Ort zu hüten. Er befindet sich tief im Fels unter dem Eis und dient einem Geist als Hort. Niemand weiß, wie er dort hingelangte. Manchmal ist das Tor da, manchmal nicht, je nach Gesinnung des Geistes.«
    »Und dieser Geist wurde zornig?« fragte Seregil.
    Timan nickte, während er die Rassel leise im Rhythmus der Worte schüttelte. Sein Bericht glich eher einem Sprechgesang denn einer Geschichte, so als hätte er ihn schon viele Male und stets mit denselben Worten vorgetragen.
    »Der Geist hat eine Traumkammer für die Menschen errichtet. Manche hatten Visionen, andere nicht. Manche hörten die Stimme des Geistes, andere nicht. Alles hing vom Gutdünken des Geistes ab. Wenn der Geist zu sprechen beschloß, galten diejenigen, die ihn hörten, als Gesegnete, die ihrer Sippe großes Glück bescheren würden. Doch vor vielen Generationen erzürnte der Geist. So mancher kam vom Wahnsinn

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