Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
des Mannes.
»So ist es besser.« Weiterhin lächelnd, befestigte Mardus die Brosche. »Du mußt mich nicht fürchten. In meiner Obhut bist du völlig sicher. Ich werde sogar über dich wachen wie ein Löwe über seine Jungen.«
Alec spürte, daß sich von hinten jemand näherte.
»Vielleicht ist er sich seiner Lage nicht ausreichend bewußt, um angemessene Dankbarkeit zu zeigen«, zischte eine Stimme mit schwerem Akzent nahe seinem Ohr.
Der Sprecher ging an ihm vorbei und stellte sich neben Mardus, und Alec erkannte ihn als den stillen »Diplomaten«, der Mardus in Wolde begleitet hatte.
»Wahrscheinlich nicht«, pflichtete Mardus ihm bei. »Du mußt wissen, Alec, Vargûl Ashnazai war sehr dafür, dich auszunehmen wie einen Fisch, als er dich in die Finger bekam. Eine verständliche Absicht, wenn man bedenkt, was für Ärger du und dein Freund uns im Laufe der letzten Monate bereitet habt. Ich war es, der Vargûl davon abgehalten hat. ›Ach, er ist doch nur ein leicht zu beeinflussender Junge‹, habe ich viele Male gesagt, während wir euch durch die Straßen von Rhíminee gefolgt sind.«
»Sehr viele Male«, bestätigte der Totenbeschwörer und lächelte gallig. »Mitunter fürchte ich, meinem Herrn könnte sein weiches Herz noch einmal zum Verhängnis werden.«
»Und dennoch, was sonst sollte ich empfinden, wenn ich einen so klugen und unternehmungsfreudigen jungen Mann sehe, der in solch schlechte Gesellschaft geraten ist.« Traurig schüttelte Mardus den Kopf. »Ein abtrünniger Spion aus Aurënen, den das eigene Volk verstoßen hat, auf daß er sich zur Hure der Königin eines dekadenten Landes macht; und ein Magier, den selbst seinesgleichen für einen verrückten Narren halten? ›Nein, Vargûl Ashnazai‹, habe ich gesagt, ›erst müssen wir sehen, ob dieser arme Bursche noch gerettet werden kann.‹«
Mardus faßte Alec an den Schultern und zog ihn langsam so dicht zu sich, daß Alec den Atem des Mannes im Gesicht spürte. Seine Augen schienen eine unglaubliche Schattierung dunkler zu werden, als er fragte: »Was meinst du, Alec? Kannst du noch gerettet werden?«
Gefangen von Mardus’ fesselndem Blick, schwieg Alec. Trotz der unausgesprochenen Drohung, die sich hinter den honigsüßen Worten verbarg, strahlte der Mann etwas gefährlich Zwingendes aus, eine kraftvolle Persönlichkeit, angesichts derer sich Alec völlig machtlos fühlte.
»Der Junge ist eine störrische Natur«, murmelte der Kerl namens Vargûl Ashnazai. »Ich fürchte, er wird Euch enttäuschen.«
»Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen«, widersprach Mardus. »Es könnte ja sein, daß er sich diesem Seregil von Rhíminee zur Treue verpflichtet fühlt. Schließlich hast du doch selbst gesagt, daß du glaubst, in den Adern des jungen Alec fließe Aurënfaie-Blut.«
»Dessen bin ich mir sicher, Herr.«
»Vielleicht stellt das ja das Hindernis dar. In der Stadt kursierten so viele widersprüchliche Gerüchte. Sag, Alec, ist er vielleicht dein Vater? Oder ein Halbbruder? Es ist so schwer, das Alter dieser Aurënfaie zu schätzen, und sie sind von Natur aus hinterlistig.«
»Nein«, brachte Alec schließlich hervor, wobei seine Stimme sich selbst für ihn kläglich und kindgleich anhörte.
Mardus zog eine Augenbraue hoch. »Nein? Aber gewiß ist er ein Freund. Während dieser jämmerlichen Maskerade in Wolde mag er dich ja als seinen Lehrling bezeichnet haben, aber euer Umfeld in Rhíminee läßt auf etwas anderes schließen. Ein Freund also. Oder womöglich sogar ein Geliebter?«
Alec spürte, wie ihm heiß im Gesicht wurde, als die Soldaten kicherten.
»Ich erkenne Treue, wenn ich sie sehe«, meinte Mardus. »Ich muß zugeben, es beeindruckt mich, sie in einem derart jungen Burschen zu entdecken, auch wenn es eine blinde Treue zu einem Mann ist, der dich im Stich gelassen hat.«
»Das hat er nicht!« knurrte Alec.
Mit weit ausholender Geste deutete Mardus auf das Schiff und die leere See, die sich nach allen Seiten schier endlos erstreckte. »Ach nein? Aber egal. Was du glauben möchtest, hat wenig Bedeutung für mich. Trotzdem fragst du dich vielleicht, warum dein hochgeschätzter Freund dich deinem Schicksal überlassen hat, obwohl er dich hätte retten können.«
»Ihr lügt!« Inzwischen zitterte Alec heftig. Immer noch konnte er sich an nichts erinnern, was nach seiner Ankunft im Jungen Hahn geschehen war.
»Bist du da so sicher?« Mitleid mischte sich in Mardus’ Lächeln. »Nun, wir sprechen uns wieder,
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